«Wir mögen euch nicht, nur euer Geld»
zenith: Die maledivische Regierung hat für September Wahlen angekündigt. Wird Umweltpolitik im Wahlkampf eine Rolle spielen?
Mohamed Aslam: Ich glaube nicht, dass irgendwer in diesem Land für einen Politiker stimmt, nur weil der sich für eine gute Klimapolitik einsetzt. Man kann eine Kampagne auf Umweltthemen stützen, aber damit gewinnt man auf den Malediven keinen Blumentopf. Nur um es einmal erwähnt zu haben, wird es schon irgendwo im Wahlprogramm auftauchen, das war es dann aber auch.
Nicht einmal im Wahlprogramm der Maldivian Democratic Party (MDP), der Partei des früheren Präsidenten Mohamed Nasheed? 2008 machte der mit seiner Kampagne zur Bekämpfung des Klimawandels weltweit Schlagzeilen.
Nein, nicht einmal in meiner eigenen Partei, der MDP. Wer aufrichtig an den Klimawandel glaubt und es für wichtig hält, trotz fehlenden öffentlichen Interesses eine geeignete Umweltpolitik zu vertreten, kann das gerne tun. Aber die Wahl wird er damit nicht gewinnen.
Im Durchschnitt liegen die Malediven lediglich anderthalb Meter über dem Meeresspiegel und sind wegen des steigenden Wasserpegels massiv in Gefahr. Wenn ein Land ein Verständnis für ökologische Themen haben sollte, dann doch die Malediven.
Etwas zu wissen ist nicht das Gleiche, wie an etwas zu glauben. Viele von uns glauben nicht an das, was sie bereits wissen und denken: Wir werden schon nicht weggespült. Wenn du den Durchschnittsbürger auf der Strasse, oder ein Schulkind nach dem Klimawandel fragst, dann werden sie dir all die richtigen Dinge erzählen. Sie wissen ganz genau, was droht – aber sie verhalten sich nicht entsprechend.
In Ordnung, vielleicht ist der Klimawandel als Phänomen zu abstrakt. Den vielen Plastikmüll an den Stränden kann aber doch niemand ignorieren.
Ja, 90 Prozent des dort angeschwemmten Mülls wurde von uns Maledivern ins Wasser geworfen. Nur manchmal, da finden wir Rumflaschen und die sind definitiv nicht von uns. Aber ja, wir waren lange naiv genug zu glauben, dass Workshops und Seminare ausreichen, um Menschen für Umweltprobleme zu sensibilisieren. Doch wir müssen unsere Gewohnheiten anpassen und die verändert man nicht mal eben durch einen Workshop. Die Herausforderung ist, dass wir 40 bis 50 Jahre so gelebt haben und es kein Problem war. Dann aber…
…kamen die Touristen.
Bevor sie kamen, gab es hier keine Plastikflaschen oder Wegwerfwindeln. Jetzt schon. Natürlich kümmern sich die Hotelbesitzer um ihre eigenen Anlagen. Sie verkaufen ihren Gästen schliesslich den Traum von der unberührten Natur. Aber sie machen das nicht für die lokale Bevölkerung. Auf Dhivehi, unserer Muttersprache, gibt es zwei Worte für den Begriff "Strand". Eines davon kann als "Toilette", das andere als "Müllhalde" übersetzt werden. Vor 50 Jahren hatten wir schliesslich keine Toiletten im heutigen Sinne. Und es gab auch keine Plastiktüten oder Plastikflaschen. Das einzige was damals am Strand zurückgelassen wurde, waren Fischgräten und vielleicht etwas schlecht gewordener Reis. Die Reste haben wir ins Meer geworfen. Heute haben die Menschen einen anderen Lebensstil, aber ihre Gewohnheiten haben sich nicht verändert.
Die jetzige Regierung behauptet, gegen diese Gewohnheiten anzukämpfen. So gibt es heute eine Müllabfuhr und das Wegwerfen von Müll wird mit Strafen versehen.
Ja, es gibt eine entsprechende Verordnung. Aber man muss nur die Strassen Malés entlanglaufen, um zu sehen, wie lasch das umgesetzt wird. Manchmal ja, manchmal nein. Es gibt also eine Menge zu tun und wir müssen dabei ganz am Anfang, bei den Menschen und ihren Kindern ansetzen. Aber ich weiss nicht, welche Priorität dieses Thema hat…
An Problemen mangelt nicht: Extremismus, Bandengewalt und eine schwerwiegende politische Krise – um nur einige zu nennen. Dadurch wirkt selbst an einem exponierten Ort wie den Malediven die Bedrohung durch den Klimawandel wie etwas, um das man sich auch später kümmern kann.
Wir haben so viele unmittelbare Probleme, dass der Klimawandel zu kurz kommt. Aber was soll man auch erwarten, wenn die Menschen so vielen Problemen in ihrem Alltag begegnen, die sie direkt betreffen? Zum Beispiel wurde mein Reisepass beschlagnahmt, nachdem ich Mitte März bei einem friedlichen Protestmarsch festgenommen wurde. Am Morgen der Proteste hatte ich einen neuen Pass beantragt, da ich für eine Konferenz nach Hawaii reisen wollte und keine freien Seiten mehr im Pass hatte. Nach der Festnahme hat sich die Polizei dann geweigert, mir den Pass zurückzugeben. Sie haben ausserdem behauptet, dass ich versuchen würde, aus dem Land zu fliehen. Jetzt darf ich das Land nicht verlassen. Mit so einer repressiven Regierung an der Macht kann man nichts ändern.
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