WM 2010 in Südafrika, Erwartungen und Realitäten
Die Kluft zwischen arm und reich und die Hoffnung auf Veränderung nach dem Ende der Apartheid führen in Südafrika zu grossen Spannungen. Gewalt, Ausbeutung und Armut sind die Folgen. Besonders stark betroffen sind Kinder, vor allem Mädchen. Sie arbeiten als Hausangestellte, damit hre Familien überleben können. Oft werden die Mädchen sexuell ausgebeutet und missbraucht. Anex cdw bricht das Tabu und thematisiert die Existenz von minderjährigen Hausangestellten in der Öffentlichkeit.
2004 wurde Südafrika mit der Wahl zum Gastgeber für den FIFA-Weltcup 2010 ausgezeichnet. Südafrika war überglücklich, das erste afrikanische Land zu sein, das diesen Anlass beherbergen kann. Damals ging man davon aus, dass die Fussball-WM 2010 129’00 Jobs schaffen, 21 Milliarden Rand zum nationalen Bruttosozialprodukt beisteuern und 7,2 Milliarden Rand Regierungssteuern generieren würde, ganz abgesehen von den 350’000 BesucherInnen, die ungefähr 9.8 Milliarden Rand während der WM ausgeben würden (1 Mrd. Rand = ca. 145 Mio. CHF, Anm.d.Red.)
Der damalige Finanzminister Trevor Manuel bestätigte, dass der Fiskus im Budget 33 Milliarden Rand für die Entwicklung und Förderung der Infrastrukturen vorgesehen habe. Das sollten also die Kosten dafür sein, dass uns die FIFA mit der Ehre des Gastgebers für diesen Grossanlass beglückt hat. International stellte man die Millionen-Dollar-Frage: "Ist Südafrika politisch und wirtschaftlich in der Lage das durchzuziehen?" Die Antwort des Landes war JA, wir haben sechs Jahre Vorbereitungszeit.
Die Realitäten im Jahr 2010 sind doch etwas anders: Wir haben der Welt bewiesen, dass wir als Gastgeber für den Anlass taugen: Die notwendigen Infrastrukturen für den Anlass sind da, die Pläne für die Sicherheit von Leib und Leben auf Provinz- und Staatsebene bestehen und sind zur Durchführung bereit, im Land wächst die Aufregung und Vorfreude darüber, Zeuge dieses historischen Ereignisses zu werden – und jetzt realisieren die Leute, dass die vom Staat und von Privaten bestrittenen Investitionen von rund 30 bis 50 Milliarden Rand keinen Profit garantieren, sondern eher ein Defizit. Die geschätzten Milliardengewinne werden sich wegen des FIFA-Monopols über den Anlass und wegen der FIFA-Reglementierungen nicht vom grossen Business zum Kleinunternehmer verteilen. Ein Beispiel dafür: Im Umkreis von 5 Kilometern um die Stadien darf nicht gehandelt werden, weil dieser Raum für die Sponsor-Partner der Fifa reserviert ist.
Der Bau und die Vollendung der WM-Stadien hat den Verwaltungen der Gaststädte eine grosse Last aufgebürdet. Tatsache ist, dass die WM-Stadien Priorität über die Dienstleistungserbringung für die südafrikanischen Bürger erhalten haben. Wir nehmen zur Kenntnis, dass der Ertrag auf dem im Land ausgegebenen Kapital sich erst in einem langjährigen Prozess realisieren wird und keine kurzfristigen Gewinne zu erwarten sind.
Die SüdafrikanerInnen schätzen die Möglichkeiten, während dieser Zeit Geld zu verdienen, sehr optimistisch ein. Das Hotelgewerbe hat stark zugelegt – leider ebenso die Übernachtungspreise. Grosse Aufmerksamkeit gilt der Frage, wie die Unternehmen während der Spiele profitieren könnten, und manchmal wurden unrealistische Erwartungen geweckt, welche die Kleinunternehmen teuer zu stehen kommen.
Eines ist klar: Die Fussball-WM 2010 hat viele Chancen eröffnet und es liegt an den Individuen, Unternehmen, Organisationen und der Regierung, wie sie diese neu geöffneten Türen zum letztendlichen Gewinn ihres Produkts oder Anliegens nutzen. Doch wir müssen einräumen, dass der sozialen Auswirkung der WM 2010 zuwenig Aufmerksamkeit, Planung und Gelder zugestanden wurden.
Ein folgenreicher Irrtum war der Entscheid auf nationaler Ebene, die Schulen während des Weltcups zu schliessen, um den Verkehr und die Staus zu entlasten. Dieser Entscheid steht im Widerspruch zu Studien, die belegen, dass die Kinder während der Ferien gefährdeter sind, weil ihre Eltern arbeiten. Sehr viele Kinder sind dann unbeaufsichtigt zu Hause. Unbeachtet blieb auch die Tatsache, dass die Kinder aus armen Quartieren abhängig sind von den Ernährungsprogrammen der Schulen. Bis heute hat es – mangels Budget – auch wenig bis keine Sensibilisierung oder Befähigung der Kinder gegeben, sich selbst zu schützen.
Die sozialen Auswirkungen belasten die bereits knappen Ressourcen des Departements für soziale Entwicklung, das trotz engem Zeit- und Finanzrahmen einen Sicherheitsplan auf Provinzebene entwickeln muss, mit fünf Arbeitsfeldern: Leute die auf den Strassen leben und arbeiten, SexarbeiterInnen, Kinderschutz, Menschenhandel und Drogenmissbrauch. Die Nachhaltigkeit dieses Plans hängt von der Partnerschaft zwischen Organisationen der Zivilbevölkerung und der Regierung ab.
Die Fussball-WM 2010 hat uns viele Möglichkeiten und Herausforderungen gebracht, und es ist traurig zu beobachten, dass der kapitalistische Ansatz den humanitären verdrängt hat. Das Wohl der Kinder war keine Priorität.
Anex cdw wird von terre des hommes schweiz unterstützt. Weitere Informationen: www.anexcdw.org.za; www.terredeshommesschweiz.ch; Bild: Terre des Hommes Schweiz, Kathrin Haunreiter