Die Kampagne von StreetNet, die sich gegen den Bau des Einkaufszentrums auf dem Warwick-Markt in Durban stellt, heisst "World Class Cities for All" (WCCA). Der Name beruht auf den Erfahrungen der StrassenhändlerInnen-Organisationen. Immer, wenn internationale Veranstaltungen stattfinden, werden VerkäuferInnen umgesiedelt. Wenn daraufhin an Gemeinderäte herangetreten wird, um Erklärungen einzufordern, ist die Antwort meist: "Wir müssen moderne Weltklasse-Städte haben!" Sprich: Städte, die internationale Investitionen anziehen, Städte, wo man keine armen Menschen sieht und Städte mit grossen und weiten Plätzen.

Für eine inklusive Weltklasse-Stadt
Diese Bedeutung moderner Weltklasse-Städte möchte StreetNet mit seiner Kampagne anfechten und neu konstruieren: moderne Weltklasse-Städte als Städte, in der alle die gleichen Rechte haben und in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Insofern besteht das Hauptziel darin, die Verantwortlichen dazu zu animieren, dass sie die armen und marginalisierten Gemeinschaften der Städte in die Planung grosser internationaler Veranstaltungen mit einbeziehen.
Den Anfang dieser Kampagne machte die PartnerInnen-Organisation "The Korean Confederation of Street Vendors" kurz vor der FIFA-Weltmeisterschaft 2002, um den zu erwartenden Vertreibungen, die sie bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988 erfahren mussten, vorzubeugen. Damals wurde mit acht anderen asiatischen Organisationen eine Petition und mehrere Briefe an den Bürgermeister von Seoul, den Präsidenten von Korea und auch an das lokale FIFA-Komitee geschrieben, in denen verlangt wurde, dass die StrassenverkäuferInnen, bevor sie von den Strassen vertrieben würden, vor jeder Umsiedlung zu Verhandlungen mit den betroffenen Institutionen eingeladen werden sollten. Daraufhin fanden wesentlich weniger Vertreibungen statt als im Jahre 1988.

Internationale Kampagne: Südafrika und Indien
Daraufhin beschloss StreetNet 2006 in Vorbereitung für die FIFA-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika die Kampagne WCCA zu starten. Es wurden im Zuge dessen bereits acht verschiedene Stadtverwaltungen von WM-Gaststädten kontaktiert, um diese dazu zu bringen, bei ihren WM-Vorbereitungen mit den Organisationen von StrassenverkäuferInnen, Gemeindeorganisationen der Slums und Armenorganisationen zusammenzuarbeiten, also mit jenen Gruppen, welche von der Durchführung der Weltmeisterschaft am stärksten betroffen sein werden. Pat Horn erzählte, dass sich die meisten GemeinderätInnen kooperativ zeigten, auch wenn sie Informationen ungern preisgeben wollten. Nur die Gemeinderäte Durbans und Pretorias haben bis heute keinem Treffen zugesagt. Parallel dazu führt die indische Organisation "The National Alliance of Streetvendors of India" in der Vorbereitung der Commonwealth-Spiele in Delhi 2010 eine ähnliche Kampagne in Indien durch.

StreetNet hat 35 PartnerInnenorganisationen in 30 Ländern, und jede dieser Länderorganisationen kann die WCCA-Kampagne neu initiieren. StreetNet hat bereits Kontakt mit Organisationen in Brasilien geknüpft, um im Falle der Weltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro einzugreifen. Wo immer auch eine grosse internationale Veranstaltung stattfindet, die dortigen PartnerInnenorganisationen werden ermutigt, die Ziele einer "lebenswerten Weltstadt für alle" in die Öffentlichkeit zu tragen. Die Idee dahinter ist, die Kampagne ins Rollen zu bringen, damit sie an verschiedenen Orten auf der Welt gleichzeitig stattfindet – so wie im Moment in Indien und Südafrika – und an anderen Orten weitergeführt werden kann. World Class Cities for All ist also eine internationale Kampagne, die in verschiedenen Ländern von verschiedenen PartnerInnenorganisationen getragen wird.

Dies ist deshalb wichtig, weil viele afrikanische Städte derzeit Modernisierungsprogramme haben. In vielen Fällen führen diese dazu, dass traditionelle Märkte entfernt und moderne Einkaufszentren gebaut werden. Pat Horn konstatierte, dass viele StrassenhändlerInnen-Organisationen hier in der Diskussion ansetzen können, indem sie den internationalen Tourismus ansprechen. Es ist nämlich selten der Fall, dass TouristInnen nach Afrika fahren, um dort Einkaufszentren zu sehen. Viel mehr interessieren sich diese für traditionelle Märkte wie den Warwick-Markt in Durban, der mit der Errichtung eines Einkaufszentrums Gefahr läuft, vollkommen umgestaltet zu werden zu Ungunsten der Marktleute. Dagegen protestiert die Kampagne. Mit dem Bau würde die Stadtverwaltung mit einem Schlag bis zu 6000 informelle Arbeitsplätze zerstören. Die BetreiberInnen der Kampagne fordern eine moderne Politik, die alle Menschen inkludiert, einschliesslich des armen und marginalisierten Teils der Bevölkerung Südafrikas. Sie fordern, dass sowohl vor als auch während der WM keine Vertreibungen der StrassenverkäuferInnen und informellen ArbeiterInnen durchgeführt werden. Auch die FIFA ist aufgefordert, aktiv dazu beizutragen, dass die Bevölkerung ihren Lebensunterhalt vor und während der WM erfolgreich sichern kann.

Der Kampf um einen Nahversorgungsmarkt
Die Vertreibung der HändlerInnen stellt eines der grössten Probleme bei der Umsetzung eines Einkaufszentrums am Warwick-Markt dar. Vor allem Frauen sind hiervon betroffen. Es arbeiten rund 8’000 bis 10’000 VerkäuferInnen – mehrheitlich Frauen – am Warwick-Markt. Der Gemeinderat hat vorgeschlagen, 200 Plätze im neuen Einkaufszentrum bereitzustellen. Diese Zahlen stimmen aber nicht mit den verloren gegangenen Arbeitsplätzen überein und so würden die meisten Marktleute ihre Jobs verlieren – davon 60% Frauen.
Der Warwick-Markt liefert bereits seit 99 Jahren den armen Menschen in der Umgebung frisches Obst und Gemüse zu erschwinglichen Preisen. Im Zuge der WCCA-Kampagne wurde der Markt auch der Mittelklasse Durbans näher gebracht, die dies ebenfalls zu schätzen weiss. Ein grosses Einkaufszentrum mit modernen Supermarktketten bringt nicht nur Vertreibungen und einen Preisanstieg mit sich, sondern auch ökologische  Probleme: Waren mit Kühltransportern werden von weit her geliefert, so profitiert zwar die multinationale Landwirtschaftsindustrie, nicht jedoch die Umwelt im Angesicht des Klimawandels.

Im Zuge der WCCA-Kampagne wird mit GemeinderätInnen Kontakt aufgenommen, Petitionen und Briefe werden an lokale Regierungen und an das FIFA-Komitee gesandt, dazu organisiert StreetNet in Kooperation mit PartnerInnenorganisationen Demonstrationen und Öffentlichkeitsarbeit. Neben der Offenlegung aller Schritte auf der Homepage wurde in Kooperation mit KunststudentInnen ein Multimediaprojekt entwickelt. HändlerInnen wurden zu ihrer Lage am Warwick-Markt interviewt und es wurde auch während eines Sitzstreiks gefilmt, bei welchem die Polizei die DemonstrantInnen mit Gummiknüppeln und Tränengas attackierte. Diese Videos wurden auf Youtube veröffentlicht.
In der WCCA-Kampagne wird unter dem Leitsatz "Nothing for us – without us!" dafür gekämpft, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben und dass Modernisierung nur unter Bedacht der Existenz und nur unter der Partizipation der armen und marginalisierten Bevölkerung durchgeführt werden kann.

Informationen: www.streetnet.org.za; www.streetnet.org.za/WCCAcampaignnews.htm;
Zum Warwick-Markt in Durban – ein Kampf zwischen informellen StrassenhändlerInnen und multinationalen Shoppingcenters im Vorfeld der WM in Südafrika www.youtube.com/user/lauqequal#p/u/14/lP-hDdmaHUQ; www.youtube.com/user/lauqequal#p/u/13/gdU7vWraGJI;
Petition zur Rettung des Warwick-Markts:
www.ipetitions.com/petition/WarwickJunction;
Nothing for us – without us! – StrassenhändlerInnen in Südafrika kämpfen mit StreetNet gegen Vertreibungen vor und während der WM“: Pat Horn im Interview mit der Frauensolidarität  http://noso.at/?p=1761

Jenni Jerabek studierte an der Universität Wien Internationale Entwicklung,
Kulturwissenschaften und Portugiesisch. Sie lebt in Wien.
Der Beitrag erschien in Frauensolidarität 4/2009. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung