Der Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung fordert eine kohärente nachhaltige Tourismuspolitik, um den Schweizer Tourismus für das 21. Jahrehundert fit zu machen. Die vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement / Staatssekretariat für Wirtschaft vorgeschlagenen Fördermassnahmen für den Tourismus müssen in eine weitsichtige Strategie für Nachhaltigkeit – im wirtschaftlichen, ökologischen und im sozialen Sinne – eingebettet werden, damit sie zum Tragen kommen. Diese Strategie soll auf einer engen Zusammenarbeit mit allen für den Tourismus relevanten Politikbereichen – Verkehr, Raumordnung, Natur- und Landschaftsschutz, Wirtschaftshilfe für strukturschwache Regionen, internationale Finanz- und Handelspolitik, aber auch Bildung und Konsumentenschutz – aufbauen und den Einbezug der verschiedenen betroffenen Akteure der Zivilgesellschaft vorsehen. Die Strategie für Nachhaltigkeit muss konsequent allen Massnahmen im Tourismus zu Grunde gelegt werden, und der Tourismus muss integraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategien des Bundes werden. Die Ausarbeitung einer solch integrativen, sektorübergreifenden Tourismuspolitik ist umgehend in die Wege zu leiten, denn nur so kann der Tourismus dem verfassungsmässigen Auftrag nachkommen, der die Nachhaltigkeit zu einer Querschnittsaufgabe jedes Politikbereiches macht.
Wie und weshalb der Bund in den nächsten Jahren den Schweizer Tourismus unterstützen will, zeigt der neue Tourismusbericht des Volkswirtschaftsdepartements „Tourismusförderung des Bundes: Verbesserung von Struktur und Qualität des Angebotes“, der bis Mitte April interessierten Kreisen zur Vernehmlassung unterbreitet wurde. Der Schweizer Tourismus leidet in der Tat, wie der Bericht deutlich macht, an seiner Wettbewerbsfähigkeit: Einerseits sind „hausgemachte“ Probleme dafür verantwortlich wie die Überalterung der Infrastrukturen, fehlende Innovation und Mittel, kleingewerbliche Strukturen und ein stark fragmentiertes Angebot sowie eine kritische Lage auf dem  Arbeitsmarkt (schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnde Qualifikation). Andererseits machen der starke Schweizer Franken und die harte Konkurrenz auf dem globalisierten Tourismusmarkt den Schweizer AnbieterInnen das Leben schwer. Deshalb soll mit Fördermitteln gezielt Innovation und Qualifizierung durch eine bessere Berufsbildung in der Branche gefördert werden, wobei die Massnahmen explizit auf einen Strukturwandel abzielen und nicht dazu beitragen sollen, überkommene Strukturen künstlich zu erhalten.
Diese Stossrichtung befürworten wir im Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung, machen aber in unserer Stellungnahme zur Vernehmlassung gleichzeitig geltend, dass es uns bei diesen Massnahmen an Weitsicht bezüglich einer umfassend nachhaltigen Entwicklung fehlt. Was geschieht nach Ablauf dieser Fördermassnahmen? Es kann sich heute niemand vor der Tatsache verschliessen, dass der Tourismus weltweit mit enormen Mitteln – Steuergeldern (s. Swissair-Rettung), Subventionen wie weltweit steuerfreies Flugbenzin oder Steuerbefreiung sowie anderen grosszügigen Anreizen für Investoren und Betreiber von Tourismusunterneh¬men insbesondere in den verschuldeten Ländern des Südens – gefördert wird. So können punktuelle Fördermassnahmen für den Schweizer Tourismus nur mehr im Rahmen einer umfassend nachhaltig gestalteten Tourismuspolitik zum Tragen kommen, die Synergien sucht, das heisst Querbezüge zu anderen relevanten Politikbereichen erstellt und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit der Tourismuswirtschaft, aber auch den verschiedensten Akteuren der Zivilgesellschaft sichert.
Die Nachhaltigkeit erscheint im zur Vernehmlassung vorliegenden Tourismusbericht ganz schamhaft im letzten Unterkapitel des ersten Abschnittes. Das Prinzip der Nachhaltigkeit zieht sich völlig lückenhaft durch den Bericht, und bei den Bestimmungen zu den einzelnen Fördermassnahmen fehlen entsprechend verbindliche Vorgaben wie Kriterien zur Kreditvergabe und als Messgrössen für Fortschritte. Das ist um so bedauerlicher, als die Schweiz über ein wegweisendes Tourismuskonzept aus den Anfängen der 80er Jahre verfügt, das klar auf ein qualitatives statt quantitatives Wachstum setzte. Diese Weitsicht für Nachhaltigkeit vor der eigentlichen Schöpfung des Begriffes hat dem Land vermutlich einiges an heute teuer zu stehen kommenden Fehlentwicklungen erspart und bedeutet letztlich einen unvergleichbaren Standortvorteil, den die „hochentwickelte“ Schweiz jetzt konsequent ausbauen kann.
In keiner Weise aber entspricht das im Tourismusbericht wiedergespiegelte Verständnis der Nachhaltigkeit der Vorstellung, dass gemäss dem neu in der Bundesverfassung verankerten Auftrages die Nachhaltigkeit zu einer Querschnittsaufgabe jedes Politiksektors werden soll. Diese Botschaft scheint bei den zuständigen Ämtern für tourismuspolitische Belange noch nicht angekommen zu sein. Mit der Kommunikation zwischen den Ämtern scheint es in der Eidgenossenschaft nicht zum Besten zu stehen. Denn auch die „Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002“ des Bundes, die das Bundesamt für Raumentwicklung (are) im Vorfeld des Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung (WSSD) vom kommenden Sommer in Johannesburg zur Vernehmlassung vorlegte, wies bezüglich Tourismus- und Freizeitpolitik eine eigentümliche Leerstelle auf: Tourismus kam nur spezifisch im Zusammenhang mit Naturschutzgebieten zur Sprache und erhielt keineswegs die Bedeutung, die seinem Stellenwert als wirtschaftliches und soziales Phänomen mit seinen ökologischen Implikationen eigentlich zukommen müsste. In der Nachhaltigkeitsstrategie von Deutschland etwa sieht es ähnlich aus, bloss kann dies kein Trost sein. Der Schweizer Tourismus beklagt sich seit Jahren über fehlende Beachtung auf dem politischen Parkett. Kein Wunder, wenn die Gesuchstellung um neue Fördermassnahmen für den Schweizer Tourismus es sogar im Internationalen UN-Jahr des Ökotourismus und der Berge und im Zuge der Vorbereitungen auf den Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung in Johannesburg unterlässt, das Prinzip der Nachhaltigkeit zukunftsweisend all seinen Massnahmen zu Grunde zu legen.
Wir sind resolut für Innovation im Tourismus und deren Förderung. Diese muss nachhaltig und damit zukunftsweisend sein, gerade auch in der Berufsbildung, wo die angehenden TouristikerInnen Kompetenzen im Bezug auf nachhaltige Entwicklung erwerben sollen. Das kann nur im Rahmen einer nachhaltigen Tourismuspolitik erfolgen, die – im Einklang mit den Nachhaltigkeitsstrategien des Bundes – auf einem integrativen und sektorübergreifenden Ansatz aufbaut und in welche die Fördermassnahmen zukunftsfähig eingebettet werden können. /Christine Plüss

Quellen: Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement, Tourismusförderung des Bundes: Verbesserung von Struktur und Qualität des Angebotes, Bericht zur Vernehmlassung, Januar 2002; Bundesamt für Raumentwicklung, Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002, Bericht zur Vernehmlassung November 2001; Schweizer Vorbereitungen für den Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung (WSSD) in Johannesburg: www.johannesburg2002.ch