Löwen nicht in der afrikanischen Serengeti, sondern im dicht besiedelten Indien. Die Grosskatzen leben hier mitten unter den Menschen und ihren Nutztieren. Für manch ein Rind endet das tödlich. Aber: Wenn ein Löwe auftaucht, freut sich das ganze Dorf.

Direkt vor der Hütte eines indischen Bauern hat ein Löwe einen Ochsen gerissen. Der Bauer lässt den Kadaver liegen. Als der Löwe in der Nacht zurückkommt, um weiterzufressen, kommt das ganze Dorf zusammen. Nicht etwa um den Löwen zu verjagen, nein, alle wollen einen Blick auf das stattliche Tier werfen. Ein nächtliches Schauspiel für die ganze Gemeinschaft. Löwen entlang von Strassen, zwischen Feldern und am Rande der Dörfer scheinen hier für die Menschen kein Problem zu sein. Jedes Jahr fällt ihnen eine grosse Zahl von Nutztieren zum Opfer, und sehr selten kommt auch ein tödlicher Angriff auf Menschen vor. Und doch hat sich hier eine einmalige Beziehung zwischen Menschen und Löwen entwickelt. Eine Beziehung, die anders, als man erwarten würde, nicht von eskalierenden Konflikten, sondern von Toleranz und gegenseitigem Respekt geprägt ist.
Einst waren asiatische Löwen in Asien über Arabien bis nach Südeuropa weit verbreitet. Durch starke Bejagung hat man ihn fast überall ausgerottet, bis auf einen einzigen Ort: den Gir Wald im Bundesstaat Gujarat im westlichen Indien. In letzter Minute hat der damalige Herrscher über das Gebiet, der tierliebende Nawab Mahabat Khanji, hier die letzten 20 Löwen unter Schutz gestellt. Heute leben im Staate Gujarat wieder über 500 Löwen. Und dank der Gründung eines grossflächigen Nationalparks hat auch die Zahl der Hirsche und Antilopen wieder stark zugenommen, im Park und ausserhalb. Konkurrenzdruck im Wald und ein gutes Nahrungsangebot ausserhalb der Schutzgebiete lassen die Löwen immer weiter in besiedeltes Gebiet vordringen. Im Gegensatz zum bewaldeten Nationalpark, wo die Grosskatzen oft auch am Tag unterwegs sind, verschiebt sich hier alles in die Nacht. Eine Spezialkamera macht sichtbar, was in völliger Dunkelheit geschieht, wie sich die Löwen in nächster Nähe zu den Menschen sicher und furchtlos bewegen und die Hilfe der Dorfbewohner bei der Jagd dankbar annehmen – dann nämlich, wenn besorgte Bauern das Wild von den Feldern treiben, weil es dort die Ernte gefährdet.
"NETZ NATUR" zeigt den aufwändig produzierten Film über eine ungewöhnliche Geschichte zwischen Menschen und Tieren und gibt Einblick in die komplexen Zusammenhänge von Gesetzen, Kultur und Management, die in Indien so einzigartig dazu führen, dass Löwen liebe Nachbarn sind.