Basel, 01.03.2010, akte/ Die knapp 130 Kilometer lange Küstenlinie südlich von Cancun auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan – Riviera Maya genannt – hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten von einem ökologisch komplexen Mangrovengebiet zur schnellstwachsenden Touristenzone gewandelt. Jetzt regt sich einmal mehr Widerstand gegen ein Hotelprojekt, das die Legeplätze der vom Aussterben bedrohten Riesen-Meeresschildkröten und das fragile ökologische Küstensystem gefährdet. Die Entwickler des Projekts mit dem Namen Punta Carey bemühen sich bereits zum dritten Mal um die Bewilligung für den Bau von Wohnungen, Hotelzimmern, einem Empfangsgebäude, verschiedenen Nebengebäuden sowie Zugangsstrassen und Wegen auf einem 26,5 Hektaren grossen Gebiet, das seit 2002 unter Schutz steht. Gegen das Projekt wehren sich Umweltschutzorganisationen wie das Mangrove Action Project oder die lokale NGO Salvamento Akumal de Vida Ecologica (Save). Deren engagierte Präsidentin Nancy de Rosa lancierte schon 2008 eine internationale Petition gegen Punta Carey. Am 6. November letzten Jahres beschloss der mexikanische Senat beschloss einstimmig, einen Brief an die für die Bewilligung des Projekts zuständige Behörde zu schicken. Darin empfahl er, die Umweltverträglichkeitsprüfung der Entwickler von Punta Carey nicht zu akzeptieren, nachdem verschiede Ungereimtheiten in der Projekteingabe aufgetaucht waren.
Glaube an den Entwicklungsmotor Tourismus
Mexiko setzt seit zwei Jahrzehnten verstärkt auf den Tourismus als Devisenbringer und Entwicklungsmotor. Die Resultate sind beeindruckend: 2008 besuchten 22,6 Millionen internationale Touristen das Land und gaben dabei 13,3 Milliarden Dollar aus. Das entspricht rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Doch wenn die sozialen und ökologischen Kosten einberechnet werden, ist das Ergebnis ernüchternd: Yucatan ist eines der Zugpferde der Tourismusentwicklung. Die Hauptstadt Cancun lag vor 27 Jahren noch auf einer vorgelagerten, kaum bewohnten Insel in einer seichten Bucht, in der Millionen von Vögeln und Schildkröten nisteten. Heute säumen die Bettenburgen ausländischer Hotelketten den Strand, umgeben von touristischen Kunstwelten. Dafür wurden Fischer und Bauern vertrieben und Mangroven abgeholzt. Teile der Lagune wurden aufgefüllt, um Golfplätze zu erstellen. Die Klärung von Abwasser und Abfällen wurde nicht mehr bewältigt, weshalb verschiedene Kalksteinbrüche, von denen man Baumaterial gewonnen hatte, heute als Abfallgruben dienen, die das Grundwasser verschmutzen. Ein privater Versorger pumpt das Trinkwasser per Pipeline vom Landesinneren zur Tourismushochburg. Während die Rasen und Golfanlagen täglich gewässert werden, hat ein Grossteil der lokalen Bevölkerung keine Wasserversorgung. Tausende ungelernter ArbeiterInnen zogen in der Hoffnung auf einen Verdienst in die Region und leben seither in Barrackensiedlungen, wo Krankheiten und Kleinkriminalität Dauerprobleme sind. Dorthin bringt auch das Dienstpersonal der Hotels nach langen Arbeitstagen seinen mageren Verdienst, denn mit den gestiegenen Lebenskosten ist eine Wohnung an der Riviera unerschwinglich geworden. Bauern wurden im Hinterland angesiedelt, um die Resorts mit Lebensmittlen zu versorgen. Aber das Land gibt nur für Subsistenzwirtschaft genug her, sodass heute der Grossteil der Lebensmittel aus anderen Teilen Mexikos herangeführt werden muss. Die Einkommensverteilung ist in Mexiko ungleicher als in den Achtzigerjahren. Der boomende Tourismus hat die Armut nicht lindern können: Die Tourismushochburg Acapulco liegt im Bundesstaat Guerrero, wo Dreiviertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Auf der Halbinsel Yucatan leben 68,4 Prozent unter der Armutsgrenze.

Freihandelsabkommen
Mexiko ist das Land, das weltweit die meisten Freihandelsverträge eingegangen ist.  2001 schloss Mexiko ein Abkommen für über 90 Prozent des Handelsaufkommens mit Guatemala, Honduras, El Salvador und der Europäischen Union. Ziel waren mehr Auslandinvestitionen und Devisen. Doch die Bedingungen des Freihandels machen es schwierig, Umwelt- oder Sozialauflagen für Tourismusprojekte durchzusetzen: Wurde einmal ein Auge zugedrückt –  oder auch öfters wie an der Riviera Maya – so gelten die gleichen erleichterten Bedingungen auch für den nächsten Investor. 2008 wies das World Development Movement in einem Bericht zudem nach, das die EU Mexiko daran gehindert hat, Massnahmen gegen den Abfluss von Gewinnen aus dem Tourismus ins Ausland – so genannte Leakages – zu treffen. Nebst mexikanischen sind vor allem spanische Investoren interessiert, ihr Geld ins Feriengeschäft zu investieren, seit die Umweltauflagen in Spanien strenger geworden sind. So steckt hinter Punta Cary eine spanische Hotelgruppe. 90 Prozent der touristischen Anlagen an der Riviera Maya sind heute in der Hand europäischer Konzerne, die dort ein de facto-Monopol geniessen und mit ihren „All inclusive“- Angeboten die lokalen Unternehmen in den Bankrott getrieben haben.
Auch die Credit Suisse ist an der Riviera Maya interessiert: Investmentberater der Schweizer Grossbank diskutierten diesen Januar mit dem mexikanischen Vizesekretär für Transport, Humberto Treviño, das Projekt für einen neuen Flughafens in Tulum. Das Tulum-Flughafenprojekt wird derzeit ausgeschrieben. Mitbewerber sind die spanische Baufirma OHL und die Investmentgruppe Advent International. Der Flughafen Tulum, so hoffen die Geschäftsleute, soll dem Ausbau der Riviera Maya einen neuen Schub geben. Im Hinblick darauf steigen schon jetzt die Land und Immobilienpreise rasant, weshalb die Immobilienfirmen versuchen, so rasch wie möglich so viel wie möglich zu realisieren.
Quellen: Tulum Airport Report By Credit Suisse in: Mexico Real Estate and Investment News 25.01.2010; www.investmentpropertiesmexico.org/; Private Investment in Mexico’s Tourism Sector Booming, 07.01.2010. Mexico Tourism Board, www.visitmexico.com; Xcacel/Xcacelito Turtle Sanctuary Threatened Again, Tourism Monitoring Team (tim-team) 19.11.2009 www.saverivieramaya.org; www.cenotes.com; Mexiko: Im Sog des mächtigen Nachbarn, Credit Suisse eMagazin 05.09.2009, http://emagazine.credit-suisse.com; What happenes in Mexico should stay in Spain: The Corruption of our Pradise, tim-team August 2008; Mexico Poverty Headcount www.earthtrends.wri.org/povlinks/map/m_63.php;
Zum Freihandelsabkommen GATS und Tourismus:
Das WTO-Dienstleistungsabkommen GATS und die Förderung eines nachhaltigen Tourismus in Entwicklungsländern – ein Widerspruch? Ein Positionspapier der Erklärung von Bern und des arbeitskreises tourismus & entwicklung, 2004

GATS Tourismus und die Umwelt. Auswirkungen des WTO-Dienstleistungsabkommens GATS auf eine nachhaltige Tourismusentwicklung, insbesondere auf den Natur- und Landschaftsschutz. Studie der Erklärung von Bern, 2006
Würdigung von sozialverantwortlichem Tourismus in Mexiko:
TO DO!-Preis 2007:Neues Selbstwertgefühl für die Nachfahren der Mayas
TO DO!- Preis 2004: Ein beispielhaftes Regionalentwicklungsprojekt aus Mexiko