Xu Xing: Und alles, was bleibt, ist für dich. Roman
(Original 2003. Aus dem Chinesischen von Irmy Schweiger und Rupprecht Mayer.)
Schirmer Graf Verlag, München 2004
263 S. Fr. 35.80; € 19.80
ISBN 3-86555-005-3
Schon auf dem Umschlag des Romans sind zwei Chinesen abgebildet, die so gar nicht ins Cliché der arbeitsamen, geschäftstüchtigen Chinesen passen: Sie tragen westliche Anzüge und haben einen modischen Haarschnitt. Abgesehen von ihren asiatischen Gesichtszügen entsprechen sie ganz dem Typ des urbanen Bohémiens. So wirken auch die Protagonisten des Romans, der Ich- Erzähler und sein Freund und Weggefährte Xi Yong. Ihr Bestreben ist es, ohne grossen Aufwand durchs Leben zu kommen: immer unterwegs, vagabundierend, ohne Kontrolle durch die Gesellschaft. Sie sehen ihre Freiheit darin, möglichst alle Regeln zu übertreten. So machen sie sich auf den Weg, mit dem Fahrrad den Westen Chinas zu erkunden. Xi Yongs Institutsausweis dient ihnen als „kaiserlicher Passagierschein“, mit dem sie sich als Abgesandte irgend eines hohen Tieres ausgeben und sich so bei Dorfbeamten freie Unterkunft und etwas zu essen erschleichen. Nicht immer klappt es und sie sind gezwungen, auch etwas zu verdienen. Zum Beispiel spielen sie bei Filmaufnahmen die Rollen eines Vergewaltigers und eines Toten. Sie werden von Mücken geplagt und träumen immer wieder von leckerem Essen und schönen Frauen. Zurück in Peking ist es schwieriger, ohne geregeltes Einkommen zu leben. Xi Yong erhält eine Einladung seiner Grosstante, die in Deutschland ein China-Restaurant führt, und reist nach Europa. Der Ich- Erzähler bekommt vom Nachbarschaftskomitee den Stempel „unnützes Element der Gesellschaft“ aufgedrückt und wird gezwungen, eine Beschäftigung anzunehmen: Er soll ein Gebäude bewachen. Statt dessen lernt er intensiv Englisch, um seinem Freund nach Deutschland folgen zu können. Als er endlich einen Pass bekommt, reist auch er nach Deutschland, wo das Geld auf der Strasse liegen soll. Dank der Bekanntschaft mit einem Schweizer, der Chinesisch kann, finden sie sich langsam im fremden Land zurecht. Und schon bald verlässt Xi Yong seinen festen Arbeitsplatz bei seiner Grosstante, der er noch den Safe ausräumt, und die Freunde sind wieder einmal unterwegs, zuerst im Westen Deutschlands, dann im sozialistischen Bruderstaat im Osten (der Roman spielt vor dem Mauerfall).
Die Abenteuer der beiden Freunde sind witzig geschrieben. Ironisch zeichnet der Autor die zwei „Loser“, die so gerne Frauenhelden wären und viel Geld hätten. Doch nach und nach müssen sie von ihren Illusionen Abschied nehmen.
Der Autor Xu Xing lebt in Peking und geniesst in China Kultstatus. Er verbrachte einige Jahre in Deutschland, wo er auch den grössten Teil des Romans geschrieben hat.
Irene Stark
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