Die Anthologie "Küsse und eilige Rosen" (1998) hat die Literatur der "fünften Schweiz" sichtbar gemacht. Seither ist Migrationsliteratur bei uns kein Fremdwort mehr. 30 Kurztexte wählte damals das Herausgebertrio Chudi Bürgi, Anita Müller und Christine Tresch aus. Sie stammen aus der Feder von AutorInnen, die es aus den unterschiedlichsten Gründen hierher verschlagen hatte. WOZ-Autor Yusuf Yesilöz war einer von ihnen.

Yesilöz, der in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, flüchtete 1987 aus der Türkei in die Schweiz. Die Problematik der kulturellen Identität hat der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller und Filmemacher aus Winterthur in seinen bisher neun Buchveröffentlichungen konsequent und variantenreich bespielt. In seinem neuen Roman "Soraja" kommt eine weitere, unaufgeregte Spielart dazu.
Ferhad ist ein gepflegter, sympathischer Endvierziger. Er ist alleinstehend und lebt in einer mittelgrossen Schweizer Stadt. Nach über zwei Jahrzehnten in der Fremde will er in die Türkei zurückkehren, um dort vielleicht heimisch zu werden. Es geht ihm zwar nicht wirklich schlecht. Aber dass es ihm nicht vergönnt war, die um Einiges jüngere Soraja zu heiraten, trägt sicher zu seinem melancholischen Gemütszustand bei. Zu alt, zu weltlich und auch zu dunkelhäutig war er Sorajas Eltern: Ferhads Mutter, die früh starb, war die Nachfahrin kenianischer SklavInnen, er selbst wird oft für einen Afrikaner gehalten. Auch Soraja, die einen eigenwilligen Mix von angepasster und individueller Lebensführung in sich vereint, hat sich für die Norm entschieden und einen Anderen geheiratet.
"Soraja" spielt in den letzten Wochen vor Ferhads Reise in eine ungewisse Zukunft. Nach ein paar Spannungsmomenten in dieser trägen Zeit des Wartens, Rückblenden in Ferhads Kindheit sowie der Bekanntschaft mit rund einem Dutzend Figuren in der Entourage des persönlichen Erzählers, endet die Geschichte unvermittelt: Ferhad, der soeben seine Wohnung in Ankara bezogen hat, erreicht eine freudige Nachricht. Ob sich sein Traum erfüllen wird, bleibt offen. Wie so Manches im Leben.
Yusuf Yesilöz: "Soraja". Roman. Limmat Verlag Zürich. 224 Seiten, gebunden, ca. 35 Franken. ISBN 978-3-85791-734-9
Eine Lesung mit dem Autor findet am 7. November in Basel statt —› mehr zur Lesung