Zeina B. Ghandour: Der Honig
Aus dem Englischen von Sabine Hübner
Deutscher Taschenbuch Verlag, Oktober 2004
118 Seiten, Fr. 21.10
ISBN 3-423-24422-4
Wäre Ruhiya ein Junge, könnte sie Vaters Nachfolger als Dorfmuezzin werden. Einer Frau hingegen ist es verboten, die Stimme zu erheben. Trotzdem ruft Ruhiya eines Tages anstelle des erkrankten Vaters das Morgengebet aus und bricht damit bewusst ein Tabu. Sie schmettert das „Allaahu Akbar“ so inbrünstig vom Minarett, dass die Bewohner des palästinensischen Dorfes vor Schreck aus den Betten springen.
In ihrem anspruchsvollen Debütroman beschreibt die libanesischstämmige Autorin die Folgen dieses verwegenen Gebetsrufes. Dabei wird der verhängnisvolle Freitag und seine Vorgeschichte aus fünf verschiedenen Perspektiven aufgerollt:
Neben Ruhiya selber kommt auch ihre Jugendliebe Yehya zu Wort. Dieser ist gerade mit dem Sprengstoffgürtel um den Bauch auf dem Weg nach Jerusalem, als er Ruhiyas Gesang hört und darauf den geplanten Selbstmordanschlag nicht ausführt. Dann sind da eine ausländische Journalistin auf der Jagd nach einer ausgefallenen Story sowie ein Mädchen, das die Geheimnisse sämtlicher Dorfbewohner kennt. Als letzter spricht Yehyas Vater, der Honigmann. Sie alle erzählen ihre persönliche Geschichte, die auf irgend eine Weise mit Ruhiyas Leben verknüpft ist.
Nur langsam fügen sich die einzelnen Teile zu einem Ganzen. Vieles bleibt unausgesprochen oder muss beim Lesen erst entschlüsselt werden. Sinnliches ist vermischt mit Übersinnlichem, während sich die brutale Realität in der zerstörerischen Auswirkung politischer Gewalt offenbart.
Mit Zeina B Ghandour meldet sich eine neue Stimme zu Wort, die auf poetische Weise etwas sehr Reales in den Mittelpunkt ihres Erzählens rückt: die Rolle der arabischen Frau im Spannungsfeld von Tradition und Emanzipation.
Katrin Ruchti-Fehr
Weitere Literaturtipps finden Sie bei Literatur glObal