Mein Interesse an der Geschichte des Gonarezhou Nationalparks hat ihren Ursprung in einer Begegnung auf seiner Umfahrungspiste, die mich nach Chiredzi zurückbringen sollte. Ein einzelner Mann war da unterwegs, wo weit und breit kein Dorf zu sehen war oder Felder die Einöde kargen Buschwaldes und der Trockensavanne unterbrachen. Bis auf kleine Gerätschaften, die er möglicherweise zum Fallenstellen benötigte, führte er nichts mit sich. Ich stieg aus, um ihn nicht vom "hohen Ross" meines Land Rovers anzusprechen und erkundigte mich, ob ich auf dem richtigen Weg sei. Da er recht gut Englisch sprach, fragte ich weiter nach dem, was das Thema meiner Reise war: nach den Folgen der jüngsten Verbannung der AnwohnerInnen aus einer Zone von fünf Kilometern Breite entlang der mozambikanischen Grenze. Diesen Streifen hatte sich das zimbabwische Militär 1988 bis 1991 ausbedungen als Pufferzone gegen die gelegentlichen Einbrüche von RENAMO-Einheiten, die sich bei der grenznahen Bevölkerung gewaltsam Proviant verschafften. "Es ist dies die vierte Umsiedlung seit ich ein Kind war", war die Antwort des Mannes. Seine knappen Ausführungen begannen mit der Vertreibung aller BewohnerInnen des Gonarezhou-Gebietes, damals ein im Prinzip bewohnbares Wildtierreservat. Das war 1968.
Die einst dünn besiedelte Wildnis des heutigen Park-Areals hatte jedoch schon in den 1930er Jahren im Zusammenhang mit dem berüchtigten Erlass zur Aufteilung des Landes (Land Apportionment Act) Anlass zu Diskussionen in der britischen Kolonialverwaltung gegeben. Da das riesige Trockengebiet mit meist dünner Erdkruste kaum grössere Weide- oder Ackerflächen bot, die sich für die Ansiedlung weisser FarmerInnen geeignet hätten, erklärte man es zum Wildtierreservat, um auch diesem "eroberten" Gebiet einen zivilisatorischen Stempel aufzudrücken. Diese Massnahme brachte zwar noch keine Vertreibung der auf etwa 7000 Personen geschätzten Bevölkerung mit sich, doch wurden dieser durch wissenschaftlich begründete Massnahmen eine Reihe von Verboten auferlegt, die ihre Lebensweise gravierend einschränkten. So wurde der Bevölkerung Gonarezhous und der angrenzenden "Tribal Trust Lands" ("Stammesgebieten", TTL) geboten, ihre Weiler und Gärten entlang der Flüsse oder an artesischen Teichen abzubrechen und landeinwärts zu ziehen, da die Wildtränken unbehelligt zu bleiben hatten. Der Fischfang, die Wasserbeschaffung und der Gartenbau entlang der Ufer als zusätzliche Wirtschaftsgrundlagen zu etwas Viehzucht und Feldbau und der – theoretisch nun ebenfalls verbotenen – Jagd, wurden dadurch prekär. Kontrollen waren in dem riesigen Schutzgebiet allerdings seltener als in den TTL, doch Mobilität wurde damit noch wichtiger in dieser anspruchsvollen Landschaft, in der schon immer eine Vielzahl von Unternehmungen zur Sicherung des Überlebens notwendig waren. Die traditionelle Transhumanz zwischen den Weilern an den Flüssen und den einfachen Hütten nahe der Weiden und Feldflächen wurde nun von einer halbnomadischen Lebensweise abgelöst.
Das westlich des Wildtierreservats gelegene, etwas fruchtbarere Gebiet wurde zum TTL erklärt, inwelches die Shangaan aus dem weiter westwärts nun als Kronland definierten Gebiet zusammengetrieben wurden. Dies war nun Siedlungsgebiet für weisse ViehzüchterInnen und somit Sperrzone für die Shangaan. Hingegen wurde das Wildtierreservat im Osten für sie zu einer gelegentlichen Ressource; hier suchten sie bei Dürren weitere Weidemöglichkeiten für ihr Vieh und gingen verbotenerweise auf die Jagd.
Sehr früh wurde auch die Migration zu den Minen von Kimberley in Südafrika zu einem wichtigen wirtschaftlichen Standbein, was eine rasche Modernisierung zur Folge hatte. 1936 schätzte der Verwaltungsbeamte des Chipinge-Distrikts, dass an die 70 Prozent der männlichen Shangaan-Bevölkerung den grössten Teil des Jahres in den Minen und auf den Farmen im Transvaal arbeiteten.

Verdichtungen

Diese Situation änderte sich erst anfangs der 1950er Jahre, da nach dem zweiten Weltkrieg der Zustrom von SiedlerInnen aus Grossbritannien beträchtlich zunahm. Aus dem südlichen Matabeleland und dem Viktoria Fall-Reservat wurde eine grosse Zahl von Ndebele und Karangas neu in den Sengwe TTL angesiedelt, in den Matibi TTL Vertriebene aus Hippo Valley und Gutu. Der Druck auf diese wenig fruchtbaren Gebiete wurde grösser, die Eisenholz-und Auenwälder wurden lichter. Dann meldete sich auch noch die Tsetse-Fliege zurück, die bei der grossen Rinderpest des Jahres 1896 zusammen mit fast allem Wild verschwunden war. Dies führte in den 1960er Jahren zu neuen, hektischen Massnahmen der Landwirtschaftsbehörde: Es wurde verboten, das Vieh in die Wildtierreservate und aus diesen heraus zu treiben, um eine Ansteckung zu vermeiden. Der Gürtel von TTL um den Gonarezhou wurde nun als Barriere gegen die Übertragung von Seuchen (wie der Maul- und Klauenseuche) auf die westlich liegenden Viehfarmen gesehen. Mannigfache Sanktionen sollten diese Anordnung sichern. Für die Shangaan, die ihre Herden mittels weiträumiger Wanderungen versorgten, war dies eine erneute bedeutende Beeinträchtigung.
In derselben Zeit wurde das ursprünglich recht romantische Konzept des Naturschutzes kommerziell interessant, und im weiteren Verlauf erwuchs daraus ein Konflikt zwischen UmweltschützerInnen und den für die Bevölkerung in den TTL zuständigen Beamten. Meist gewannen die UmweltschützerInnen, und dies oftmals dank Tourismus-Argumenten: Die neuen Möglichkeiten von Wildtierfarmen und Jagdsafaris auf Privatland interessierten viele SiedlerInnen. Im Schicksalsjahr 1968 kam noch ein weiterer Faktor hinzu: Die bewaffneten Ableger der Unabhängigkeitsbewegungen fanden in den weiten Wildschutzgebieten und Pärken Verstecke und Versammlungsorte. Bei einer Aktion gegen die Tsetse-Fliege wurden nicht nur 55 000 Stück Wild mit Tsetse-Verdacht sondern auch das Grossvieh der ParkbewohnerInnen vernichtet und diese endgültig aus diesem Landstrich vertrieben, damit die Natur sich wieder unbehelligt entwickeln könne. Diese Massnahme wurde umgesetzt, obwohl inzwischen Gutachten belegten, dass von den ParkbewohnerInnen keine Beeinträchtigungen der Biodiversität oder des Wildbestandes ausging.
Die BewohnerInnen wurden auf die umliegenden TTL verteilt, obwohl diese bereits übervölkert waren. Mit der Entwaldung und Überweidung zerfiel der Boden zu Staub, die Pflanzenvielfalt hatte sich bereits erheblich reduziert. Wo diese Probleme zu offensichtlich wurden, konnten die BeamtInnen nur mit erneuten Umsiedlungsaktionen reagieren – die TTL wurden jedoch nie erweitert. Vielmehr waren bereits in den 1950er Jahren erhebliche Teile von Matibi II und Sangwe für den Verkauf abgetrennt worden. Dieses Farmland wurde meist an Shona aus weiter nördlich gelegenen TTL verkauft, die als bessere Farmer angesehen wurden.

Kulturelle Verluste

Die Abtrennung von Gonakudzingwa von Matibi II wie auch die Ausgrenzung aus dem Gonarezhou-Gebiet bedeutete für die Shangaan zusätzlich kulturelle Verluste. Denn dort befanden sich verschiedene heilige Stätten und Horte ihrer Identität, wo ihre Führer Zeremonien für den Schutz durch das Clantotem, für Regen und die Legitimation ihrer Herrschaft abhalten mussten. So werden noch heute die AIDS-Plage und die immer öfter auftretenden Dürren auf den fehlenden Zugang zu diesen Orten zurückgeführt. Als ebenso verheerend erwies sich die Zerstückelung der Clans auf verschiedene TTL, deren Bevölkerung nun aus verschiedenen Clans und Ethnien zusammengesetzt war. Die Strategie der Beamten, die Menschen über ihre in die Verwaltung eingebundenen Anführer zu kontrollieren, führte sich damit selbst ad absurdum und die parallel eingeführten "Ward Development Commissions" erlangten nie wirkliche Autorität.

Kriegszeiten im Grenzland

1975 wurde der Gonarezhou endgültig zum Nationalpark erklärt und jedes Betreten durch die TTL-BewohnerInnen einer amtlichen Bewilligung unterstellt. Der Bürgerkrieg war vollends ausgebrochen, begünstigt durch die Unabhängigkeit Mozambiques, das den RebellInnen Aufmarsch- und Rückzugsgebiet bot. Die BewohnerInnen der grenznahen TTL wurden in befestigte und streng kontrollierte Siedlungen zusammengezogen, um die umherschweifenden Guerilla-Truppen von der Lebensmittelversorgung abzuschneiden. Einzelne Individuen entzogen sich aber der Umsiedlung in die "beschützten Dörfer" und versteckten sich im Busch und in den Wäldern des Gonarezhou. Dies war allerdings gefährlich, denn nun durchkämmte das Militär regelmässig die Wildnis und hatte freie Hand sogenannte Wilderer kurzerhand zu erschiessen.
Als sich die Siedler-Regierung 1980 zu Verhandlungen gezwungen sah, da der Krieg gegen die beiden Rebellenarmeen ZANLA und ZIPRA nicht zu gewinnen war, und ein unabhängiges Zimbabwe entstand, änderte sich die Lage im südwestlichen Lowveld erneut. Bestärkt vom Wahlsieg der Shona-Mehrheit und vom zwangsweisen Aufenthalt befreit, zogen grosse Gruppen von Shona aus ihren überfüllten TTL in den Südwesten. Erneut kamen die Shangaan unter Druck, vor allem weil die Shona mit ihrem Vieh rasch die Weiden füllten, während das eigene Vieh durch die Tsetse-Kampagne und die Selbstversorgung der Guerilla weitestgehend verschwunden war. Zeitweise kam es auch zu militärischen Säuberungen von "DissidentInnen".
Der Mann auf der Umfahrungspiste empfand die Invasion der Shona als eine weitere Vertreibung. Und da stand er mir nun Rede und Antwort auf meine Frage, wie sie denn diese erneute Landnahme des Militärs im Jahr 1988 bewältigt hätten. Nachdem die zimbabwische Armee nicht nur die fünf Kilometer von der Grenze landeinwärts von Siedlungen geräumt hatte, sondern auch einen Streifen von 30 Kilometern Breite auf der mozambikanischen Seite, und nachdem während zwei Jahren kein RENAMO-Einfall mehr registriert worden war, hob die Regierung 1991 die Räumungsverordnung wieder auf – dies auch aufgrund von Empfehlungen mehrerer Entwicklungs-Agenturen. Einige der Militärs, von denen man munkelt, sie hätten sich in jener Zeit reichlich mit Elfenbein und Jagdtrophäen eingedeckt, dürften dies bedauert haben.
Susy Greuter ist Sozialanthropologin mit langjähriger Afrikaerfahrung und Mitglied des Afrika-Komitees. Sie war von 1988 bis 1994 in Zimbabwe tätig. In diesem Rahmen recherchierte sie 1990 bis 1991 während 120 Tagen die Auswirkungen der Militärpräsenz im Grenzstreifen zu Mozambique und arbeitete mögliche Hilfsmassnahmen für dessen Bevölkerung aus. Kontakt: susy.greuter@sunrise.