Gegenwärtig befinden sich gemäss UNHCR über 43 Millionen Menschen auf der Flucht. Über 15 Millionen von ihnen sind Flüchtlinge, die ausserhalb ihres Heimatstaates leben. Sie sind Flüchtlinge im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention, also Personen, "die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung ausserhalb ihres Heimatlandes befinden und dessen Schutz nicht beanspruchen können oder wegen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen wollen".

Nur ein kleiner Teil der Menschen, die sich weltweit auf der Flucht befinden, gelangt nach Europa, um hier Schutz zu suchen. Die Zahl der Asylsuchenden insgesamt ist im Vergleich zu vor zehn Jahren in Europa sogar gesunken. Grund dafür ist die immer restriktiver gewordene Flüchtlings- und  Migrationspolitik der EU. Aufgrund der rigorosen Kontrollen an den EU-Aussengrenzen gelang vielen Asylsuchenden, die es bis hierher geschafft haben, die Reise nur unter Einsatz ihres Lebens.

Nur knapp sechs Prozent aller in Europa gestellten Asylgesuche werden in der Schweiz eingereicht.1 Im Jahr 2011 waren das 22 551 Personen. Die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz ist im Vergleich zu den Vorjahren zwar gestiegen, entspricht jedoch ziemlich genau dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre.2 (Zur Erinnerung: Beim Ausbruch des Jugoslawienkriegs 1991 und während des Kosovokriegs in den Jahren 1998 und 1999 stellten jeweils über 40 000 Menschen ein Asylgesuch.)

Der Anstieg der Gesuche während des letzten Jahres lässt sich vor  allem mit der Situation in Nordafrika begründen. Allein wegen des Kriegs in Libyen flohen Zehntausende. Ein grosser Teil von ihnen waren Flüchtlinge aus Eritrea. Sie hatten zuvor ihr von Repression und Staatsterror geprägtes Heimatland verlassen und  dann in Libyen versucht, ihr Überleben zu sichern. Der dortige Krieg zwang sie zur erneuten Flucht. Die meisten Eritreerinnen und Eritreer suchten Zuflucht in Flüchtlingscamps in der tunesischen Wüste. Die Verhältnisse in jenen Lagern waren und sind noch immer äusserst prekär. Eine Rückkehr nach Eritrea kommt nicht in Frage, da diese Menschen dort mit Verfolgung rechnen müssen. Viele der Flüchtlinge aus Eritrea haben jedoch nahe Verwandte in der Schweiz und stellten daher hier ein Asylgesuch. Die Schweiz hat die meisten von ihnen als Flüchtlinge anerkannt, ihnen Asyl und damit ihr Recht auf ein Zusammenleben mit ihrer Familie  gewährt.
Asylgesuchsprüfungen durch die Schweiz
Das Bundesamt für Migration (BFM), das in der Schweiz für die Prüfung der Asylgesuche zuständig ist, fällte 2011 19 467 Entscheide. Es wurden also etwas weniger Fälle erledigt, als neue eingingen.

Bei über einem Drittel der behandelten Asylgesuche war die Schweiz jedoch  gar nicht für deren Prüfung zuständig. Es handelt sich dabei um Gesuche von Personen, deren Fingerabdrücke bereits in einem anderen europäischen Staat elektronisch erfasst worden waren. In Anwendung der Dublin-Verordnung tritt das BFM in solchen Fällen nicht auf die Asylgesuche ein (Nicheintretensentscheid, NEE). Zieht man diese Fälle von der Anzahl der insgesamt vom BFM gefällten Entscheide ab, verbleiben 12 368 Fälle, in denen sich die Schweiz für zuständig erachtete. Bei 30 Prozent dieser Entscheide hat das BFM Asyl gewährt, also bei 3711 Menschen. 3070 GesuchstellerInnen (oder 25 Prozent) wurden vorläufig aufgenommen. Zusammengerechnet erhielten im Jahr 2011 somit 55 Prozent der Asylsuchenden einen Schutzstatus. Das sind 6781 Menschen, deren Schutzbedürftigkeit die Schweiz anerkannt hat.3
In diesen Zahlen noch nicht eingerechnet sind die gutgeheissenen Beschwerden: Asylsuchende haben das Recht, im Fall eines negativen Entscheides des BFM eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzureichen. Während der letzten Jahre hat das Bundesverwaltungsgericht etwa jede fünfte Beschwerde gutgeheissen. Ebenfalls noch nicht berücksichtigt sind die gutgeheissenen Zweit- bzw.  Wiedererwägungsgesuche: Asylsuchende haben die Möglichkeit, beim BFM ein zweites Asylgesuch oder ein Wiedererwägungsgesuch einzureichen, wenn sich  seit einem früheren Entscheid ihre persönliche Situation oder die Situation im Herkunftsstaat verändert hat oder neue Beweismittel verfügbar sind. Etwa jedes dritte solche Gesuch führte während der letzten Jahre zu einer Schutzgewährung.4 In all den positiv beurteilten Fällen war der ursprünglich negative Entscheid nicht  (mehr) rechtmässig. Alle übrigen GesuchstellerInnen, die die Kriterien für ein Bleiberecht nicht erfüllen, müssen das Land verlassen. So zum Beispiel auch solche, die ausschliesslich aus wirtschaftlichen Gründen in die Schweiz gereist sind.
Zahl der Personen mit Schutzstatus
Insgesamt leben heute in der Schweiz mehr als zwei Drittel aller Personen aus dem Asylbereich (Personen, die ursprünglich ein Asylgesuch gestellt haben) mit einem Schutzstatus, nämlich 17 484. Sie leben als anerkannte Flüchtlinge mit Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis). 9494 leben als anerkannte Flüchtlinge mit Aufenthaltsbewilligung (B-Ausweis) und 23 310 als vorläufig aufgenommene Personen (F-Ausweis).5

Die anerkannten Flüchtlinge und vorläufig aufgenommenen Personen wären im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland einer konkreten Gefährdung ausgesetzt, entweder wegen gezielter, gegen sie persönlich gerichteter Verfolgung, wegen Krieg, Bürgerkrieg oder allgemeiner Gewalt, weil der Zugang zu lebensnotwendiger medizinischer Versorgung fehlt oder weil sie besonders verletzlich sind. Zu Letzteren zählen vor allem alleinstehende Frauen, alleinerziehende Elternteile mit ihren Kindern, Familien, unbegleitete Minderjährige und psychisch oder physisch kranke Personen.
Die oben erwähnten Zahlen zeigen erstens auf, dass das verbreitete Vorurteil, Asylsuchende betrieben überwiegend Asylmissbrauch und seien meistens gar nicht schutzbedürftig, nicht haltbar ist. Bei einer Mehrheit der Asylsuchenden wurde die Flüchtlingseigenschaft oder die Unzumutbarkeit einer Rückkehr in ihr Heimatland festgestellt.

Zweitens ist die verbreitete Rede von einer "Flüchtlingsschwemme" ebenfalls unbegründet, wenn man sich das Gesamtbild unserer  Wohnbevölkerung vor Augen hält: Nur knapp vier Prozent der ausländischen Wohnbevölkerung in der Schweiz sind Personen, die ursprünglich hier ein Asylgesuch gestellt haben.6 Im Vergleich zur gesamten Schweizer Wohnbevölkerung sind es gar nur 0,9 Prozent! Drittens machen die Zahlen deutlich, dass die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz verglichen mit der Zahl der Asylgesuche auf europäischer Ebene und vor allem im Verhältnis zur Anzahl der Schutzsuchenden weltweit äusserst gering ist.
Quellen: 1 http://epp.eurostat.ec.europa.eu. Zahlen 2010¸ 2 http://sjep.revues.org und www.bfm.admin.ch; 3 Asylstatistik des BFM, 2011; 4 Erst- und zweitinstanzlich zusammengerechnet; Quelle: Bericht über Beschleunigungsmassnahmen im Asylbereich des EJPD vom März 2011, S. 18 f.; 5 Asylstatistik des BFM, 2011; 6 BFS, Stand Ende 2010
Dieser Beitrag wurde "Handeln", dem Magazin des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen der Schweiz HEKS, Nr. 315 vom Februar 2012 entnommen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
Die Flüchtlingstage 2012

Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene in der Schweiz leisten Bedeutendes für die Gesellschaft und in der Berufswelt – zum Gewinn für uns alle. Die Flüchtlingstage am 16., 17. und 20. Juni 2012 stehen ganz im Zeichen dieser Leistungen. Lesen Sie mehr darüber aufwww.fluechtlingshilfe.ch/fluechtlingstage/fluechtlingstage-2012