Zum Dreikönigstag: Das Wunder von Bethlehem dauerte nur 45 Minuten
Nach einer heldenhaften ersten Halbzeit musste die internationale Auswahl von katholischen Priestern schliesslich eine Niederlage biblischen Ausmasses (9:1) gegen die elf palästinensischen Spieler hinnehmen, zur Freude der Kinder, für die dieses Wohltätigkeitsspiel zum ersten Mal ausgetragen wurde.
"Hier bedeutet Fussball alles. Die Kinder lieben Fussball. Es ist ein Weg, sie von der Gewalt der Intifada wegzubringen. Durch Sport können wir Frieden erreichen", glaubt Pater Ibrahim Faltas, der eine Fussball-Akademie für junge Palästinenser ins Leben gerufen hat. Der ägyptische Franziskaner ist Leiter der Stiftung Jean-Paul II. für den Nahen Osten und ein Friedensexperte. Er war es, der 2002 eine Einigung ohne Blutvergiessen aushandelte, als sich in der Geburtskirche in Bethlehem, der Überlieferung nach der Geburtsort Christi, bewaffnete palästinensische Aktivisten während 38 Tagen verschanzten.
Rund um den Spielplatz Al Khader, das Stadion von Bethlehem, flattern palästinensische und italienische Fahnen sowie das gelb-weisse Banner des Vatikans. Auf der Ehrentribune stehen die palästinensischen Beamten neben einer Reihe von Franziskanermönchen in braunen Kutten. Der Franziskanerorden hat seit dem 14 Jahrhundert die Aufgabe, die heiligen Stätten zu bewachen.
Auf dem Spielfeld leisten elf Priester in gelben Trikots, blauen Hosen und weissen Socken den ganz in Rot gekleideten Palästinensern Widerstand, dank einem eisenharten Verteidiger und einem wendigen Torwart, der alle Bälle der Einheimischen hält, auch dank der Vorsehung und den Pfosten.
Zur Halbzeit steht es 0:0. Ein Erfolg für Gottes Athleten, von denen einige schon fast ein biblisches Alter erreicht haben.
"Es ist ein grosses Fest, mit dem die Friedensarbeit unterstützt werden soll. Es ist wichtig in Bethlehem zu spielen", ist Adriana Sigilli überzeugt. Die Mitarbeiterin des Reisebüros war daran beteiligt, die Begegnung zu initiieren und die Reise der Priester – Italiener und ein Pole – zu organisieren. "Es ist eine kleine offene Tür hin zur frohen Botschaft und einem normalen Leben", formuliert die italienische Reiseexpertin in Anspielung auf die israelische Sicherheitsmauer, die den israelisch besetzten Teil Cisjordanien abtrennt – und die von den Palästinensern "Apartheidmauer" genannt wird. Mohammed ist zusammen mit seinen Kollegen mit dem Bus aus der Umgebung ausgereist. Obwohl er das Poloshirt des Kollegiums Terra Sancta der Franziskaner trägt, feuert er aus den Rängen das Palästinensische Team an.
Jibril Rajoub, der Präsident des palästinensischen olympischen Komitees, ist anwesend. Er würdigt die "sehr positive Wirkung" der kürzlich von Papst Bendikt dem XVI. einberufene Synode für den Nahen Osten, die ein sofortiges Ende der israelischen Besatzung forderte. "Wir Palästinenser sind nicht alleine. Die ganze christliche Welt steht hinter uns, und die internationale Gemeinschaft hat die Botschaft verstanden", sagt Rajoub, einer der starken Männer der palästinensischen Autonomiebehörde. Rajoub begrüsst es, dass "Gläubige zum Fussballspiel auf heiliger Erde gekommen sind. Es ist eine humanitäre Botschaft neben der Geburtskirche. Sieger sind die menschlichen Werte."
Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit öffnen sich für die Palästinenser die Tore zum Paradies gleich neun Mal. Die Messe ist schon längst gelesen, als die Priester es doch noch schaffen, ein Ehrentor zu schiessen. Mit 9:1 endet das Spiel.
Für die Kirchenmänner zeigt der Schlusspfiff die Stunde ihrer Befreiung und der Rückkehr zu ihren heiligen Pflichten an. Am Mittwoch früh um 6:30 Uhr wird das ganze Team die Messe in der heiligen Grabeskirche im Herzen der Altstadt Jerusalems feiern.
Quelle: LeMatch.net, 27.10.2010,
übersetzt von Nina Sahdeva