Basel, 21.09.2009,akte/
Heute ist der internationale Tag des Friedens. Leistet die Tourismusindustrie einen Beitrag zum Frieden?
Jein. Sie leistet insofern einen Beitrag, als dass sie nach einem Konflikt als eine der ersten Branchen wieder Fuss fasst und so hilft, die sozioökonomischen Strukturen wieder aufzubauen. Das ist auch der Grund, weshalb sich swisspeace überlegte, wie man die Tourismusbranche als Zielgruppe besser ansprechen und in die Friedensarbeit einspannen könnte.

Betreiben Tourismusunternehmen auch aktive Friedensförderung?
Die absichtlichen Beiträge sind momentan noch gering. Die Tourismusindustrie ist tendenziell eher konfliktscheu. Sie will den Reisenden nicht auf die Nase binden, dass sie sich jetzt in ein Konfliktgebiet begeben. Aber in der täglichen Arbeit können Tourismusunternehmen die Parteien dazu bringen, zusammen zu arbeiten. Damit leisten sie sicherlich einen Beitrag zum eigenen Ansehen. Vor allem aber tragen sie damit dazu bei, das Einkommen zu erhöhen und die Armut zu verringern. Dies ist gerade in Postkonflikt-Gebieten von grosser Bedeutung.

Haben Sie dafür Beispiele?
In Sri Lanka ist die Wirtschaft generell darum bemüht, die Parteien an einen Tisch zu bringen. Lange hat die Tourismusindustrie nicht auf den Konflikt reagiert. Aber nach dem Bombenanschlag auf den internationalen Flughafen von Colombo von 2001 lancierte die Tourismusbranche die Initiative „Sri Lanka First“, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit für die ökonomischen Auswirkungen des Gewaltkonfliktes zu sensibilisieren und öffentlich für eine Verhandlungslösung zwischen den Tamil Tigers und der srilankischen Regierung zu werben. Diese Initiative lief nur über eine kurze Zeit und es ging vor allem darum, gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen. Aber uns geht es nicht darum, die Motive hinter den Beiträgen zur Friedensförderung zu werten, auch wenn sie in der Studie differenziert wurden. Auch die unbeabsichtigten Beiträge zum Frieden sind von Bedeutung: So hat in Kroatien ein lokaler Tourismusunternehmer während des Konflikts Garagen übernommen und so die Arbeitsplätze erhalten können. Er hat dies getan, um seine Aktivitäten zu diversifizieren, also auch als Anpassung an die veränderten Besucherzahlen. Aber so leistete er auch wirtschaftliche Überbrückungshilfe während und Starthilfe nach dem Konflikt. Ausserdem wurden Touren mit der serbischen Seite arrangiert, einfach, um für die Touristen ein gutes Angebot schnüren zu können.

Gemäss Studie gäbe es bei den Beiträgen der Tourismusindustrie noch Optimierungspotenzial. Wie wollen Sie die Branche einspannen?
Die Studie ist einmal ein erster Schritt. Jetzt geht es darum weiterzudenken. Wir könnten uns zum Beispiel so etwas wie einen Verhaltenskodex in Gewaltkonflikten für die Branche vorstellen. Nicht nur für die Tourismusbranche, auch für andere Wirtschaftsbranchen. Der Friede ist für die Wirtschaft besser als der Krieg. Gibt es Kriterien für ein Frieden förderndes Wirtschaften? Welche Art von Bedingungen brauchen auch die touristischen Anbieter, um tätig zu bleiben oder möglichst schnell und nachhaltig ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten wieder aufnehmen zu können. In einem Kodex könnte zum Beispiel stehen, dass sie mit beiden Seiten zusammenarbeiten sollen. Oder – und das ist jetzt nur meine Fantasie –  es könnte empfohlen werden, Schulungen für die Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer in die Tourismusbranche anzubieten. Im Tourismus gibt es ja auch weniger qualifizierte Jobs. Ein solches Engagement könnten Unternehmen in ihrem Nachhaltigkeitsbericht und allgemein in ihrer Öffentlichkeitsarbeit ausweisen.

Aber gerade in Sri Lanka ist das angesichts der schlechten Menschenrechtssituation schwierig.
Das ist richtig.

Was soll mit der Studie geschehen?
Wir haben noch keinen Schritt über die Studie hinaus unternommen. Unsere Motivation war zunächst eine ideelle. Wir haben uns überlegt, dass Wirtschaftsakteuren eine grosse Bedeutung in der Friedensförderung zukommt. Wir wollten mit der Studie herausfinden, wie dieser Link zwischen Unternehmen und Friedensförderung in der Tourismusbranche in drei konkreten Ländern – Kroatien, Rwanda und Sri Lanka – aussieht. In unserer Arbeit zur Friedensförderung fällt uns immer wieder auf, dass wir von einer Denkweise und Voraussetzungen ausgehen, die andere so nicht teilen. Mit unserer Studie versuchen wir, das gemeinsame Grundlagenwissen zu erhöhen und möglichst auch touristischen Akteuren vor Ort zur Kenntnis zu bringen.

Haben Sie Kontakt mit der Tourismusbranche hier in der Schweiz?
Wir haben vor kurzem einen Wirtschaftsbeirat von swisspeace, den Business Advisory Board, gegründet. Darin hat auch André Lüthi, der Geschäftsführer von Globetrotter, Einsitz. Mit ihm werden wir weiterschauen, wie wir die Erkenntnisse der Studie optimal verwenden können. Klar ist, dass wir in der einen oder anderen Form mit den Ergebnissen der Studie weiterarbeiten möchten.

Weitere Informationen zu swisspeace auf www.swisspeace.ch, die Studie gibt es dort zum Download.
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21. September Internationaler Tag des Friedens
Den Internationalen Tag des Friedens rief die Generalversammlung der Vereinten Nationen 1981 ins Leben, "um an die Ideale des Friedens zu erinnern und sie unter allen Ländern und Völkern zu stärken." Zwanzig Jahre später beschloss die Generalversammlung, den 21. September zum jährlichen "Tag des globalen Waffenstillstands und der Gewaltlosigkeit" zur erklären. Sie lud alle Mitgliedstaaten und Individuen dazu ein, an diesem Ziel mitzuarbeiten durch Sensibilisierungsaktionen. Dieses Jahr ruft der Generalsekretär auf, besonders an die atomare Abrüstung und die Nichtverbreitung atomarer Waffen zu denken.

Informationen: www.un.org/en/events/peaceday/2009;