Zum Tag des Kindes: Mangelnder Kinderschutz gefährdet Millenniumsziele
Obwohl der Kinderschutz seit der Jahrtausendwende einen höheren Stellenwert auf der internationalen Agenda erhalten hat, werden noch immer weltweit Kinder misshandelt, verletzt oder müssen ihr Leben ohne Eltern meistern. Sie arbeiten unter gefährlichen Bedingungen oder werden als Kindersoldaten rekrutiert, sind Opfer von Körperstrafen oder sexueller Ausbeutung, Mädchen werden beschnitten und/oder in jungen Jahren zwangsverheiratet. Die UNO-Millenniums-Entwicklungsziele verlangen unter anderem Armutsbekämpfung, Primarschulbildung für alle Kinder, die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Reduktion von Kindersterblichkeit.
UNICEF zeigt mit dem Bericht «Progress for Children – Kinderschutz» auf, dass die bisherigen Anstrengungen im Kinderschutz bei Weitem nicht ausreichen, um diese Entwicklungsziele zu erreichen und ruft die Regierungen dazu auf, umgehend Massnahmen für einen verbesserten Kinderschutz zu ergreifen.
Kinderarbeit und Früh-Ehen statt Schulbildung
UNICEF schätzt, dass 150 Millionen Kinder im Alter zwischen 5 und 14 Jahren arbeiten müssen. Diese Schätzung beruht auf Daten aus 102 Ländern. Vor allem in Afrika südlich der Sahara ist Kinderarbeit sehr verbreitet: Mehr als ein Drittel der Kinder müssen in diesen Ländern arbeiten. Der UNICEF Bericht zeigt die damit verbundene gefährliche Spirale auf: Kinderarbeit verhindert den Zugang zu Bildung. Gleichzeitig führen qualitativ schlechte Ausbildungsmöglichkeiten zu häufigem Schulabbruch. Insbesondere Mädchen sind betroffen: sie müssen im Haushalt helfen, anstatt zur Schule zu gehen und werden in jungem Alter verheiratet oder sexuell ausgebeutet. Diese Mädchen sind anfälliger für lebensbedrohliche Krankheiten und als zu junge Mütter gesundheitlich gefährdet, was wiederum die Überlebens-Chancen des Nachwuchses beeinträchtigt.
Mehr als ein Drittel von jungen Frauen (20 bis 24 Jahre) in Entwicklungsländern gaben an, dass sie mit 18 Jahren bereits verheiratet oder liiert waren. Dieser Anteil ist in Südasien (46 Prozent) und in Afrika südlich der Sahara (39 Prozent) am höchsten. Ihr Leben ist bestimmt von Arbeit, Armut und der Sorge ums Überleben ihrer Familie. Mädchen, die als Kinder verheiratet werden, sind ihrer elementarsten Rechte beraubt: des Rechtes auf Schutz, Gesundheit, Bildung, Spiel und Erholung.
Kinderschutz fängt schon bei der Geburtenregistrierung an
Damit ein Kind wirksam geschützt werden kann, muss seine Existenz bekannt und anerkannt sein. Kinder, deren Geburt nicht registriert wird, haben keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten und zu Schulbildung und leiden unter Einschränkungen im Erwachsenenleben. Eine Altersangabe ist für Gesetzgebungen im Kinderschutz unerlässlich, z.B. um Kinder vor Rekrutierung als Soldaten, Kinderarbeit oder Frühehe zu schützen.
Rund 51 Millionen Kinder wurden bis 2007 nicht registriert, nahezu die Hälfte von ihnen in Südasien. Eins von vier Entwicklungsländern hat eine Geburtenregistrierungsrate von unter 50 Prozent. Fast zwei von drei Kindern in Afrika südlich der Sahara und in Südasien wurden bis 2007 nicht registriert. In 8 Ländern (Somalia, Liberia, Afghanistan, Äthiopien, Tansania, Tschad, Sambia und Bangladesch) sind 10 Prozent oder weniger Kinder unter 5 Jahren registriert. Fortschritte wurden in Gambia, Laos und Vietnam erzielt.
UNICEF fordert ganzheitliche Kinderschutzmassnahmen – in Entwicklungsländern und Industriestaaten
Der Kinderschutz kann nur durch eine ganzheitliche und systematische Herangehensweise verbessert werden. UNICEF verfolgt daher fünf Ansätze, um den Kinderschutz grundlegend zu verbessern:
1) Verbesserung der staatlichen Kinderschutz-Systeme
2) Gesellschaftlicher Wandel durch Überwindung von sozialen Normen
3) Kinderschutz in Krisensituationen: Kindern in Krisengebieten Überlebenshilfe, Schutz und Grundversorgung gewähren.
4) Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen, privatem Sektor und Zivilgesellschaft
5) Verbesserung der Datenlage zur Optimierung der Gesetzgebungen.
Kinderschutz und soziale Normen
«Viele Formen von Gewalt gegen Kinder werden von der Gesellschaft hingenommen – sei es Kinderheirat, Mädchenbeschneidung oder häusliche Gewalt. Soziale Normen aber sind überwindbar, wenn sie als solche erkannt werden. Verbote allein können nicht zum Umdenken führen, das Ziel ist eine Aufgabe der Praxis aus Überzeugung, ein gesellschaftlicher Wandel», so Elsbeth Müller, Geschäftsleiterin von UNICEF Schweiz.
In Industriestaaten legt UNICEF besonderes Augenmerk auf Gewalt, Kinderarbeit und Kinderhandel sowie innerhalb der Migrationsgemeinschaften auf Praktiken wie Mädchenbeschneidung. Bis Februar 2009 haben 12 Industriestaaten das Verbot von Mädchenbeschneidung in ihre Gesetzgebung aufgenommen: Australien, Belgien, Kanada, Zypern, Dänemark, Italien, Neuseeland, Norwegen, Spanien, Schweden, Grossbritannien, USA. UNICEF Schweiz setzt sich zum Schutz der Mädchen ebenfalls für eine explizite, strafgesetzliche Ahndung durch das Schweizer Strafgesetz ein.
«Progress for Children» – Aktuelle Daten über die Situation der Kinder in der Welt
Seit 2004 publiziert UNICEF in der Reihe «Progress for Children» thematische Berichte und Statistiken über die Situation der Kinder in der Welt. «Progress for Children» soll sicherstellen, dass Kinder im Zentrum der Entwicklungsagenda bleiben. Als umfassende Datensammlungen zeigen diese Berichte auf, welche Fortschritte zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele bereits gemacht wurden und welche Anstrengungen zur Erreichung derselben notwendig sind. Der diesjährige Bericht erchien sechs Wochen vor dem 20-Jahr-Jubiläum der UN Kinderrechtskonvention.
Weitere Informationen: Alexandra Rosetti; Leiterin Pressestelle; UNICEF Schweiz; Tel.: +41 (0)44 317 22 41; a.rosetti@unicef.ch
Bild: Indiadaily.org; www.apheda.org.au
UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hat über 60 Jahre Erfahrung in Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe. UNICEF setzt sich ein, dass Kinder überleben und eine wohlbehaltene Kindheit erhalten. Zu den zentralen Aufgaben gehören Gesundheit, Ernährung, Bildung, Wasser und Hygiene sowie der Schutz der Kinder vor Missbrauch, Ausbeutung, Gewalt und AIDS. UNICEF finanziert sich ausschliesslich durch freiwillige Beiträge.