Heute ist der internationale Welternährungstag 2010. Fast eine Milliarde Menschen hungern, alle dreieinhalb Sekunden stirbt ein Mensch daran - sehr oft ist es ein Kind. Hunger ist das Resultat gnadenloser struktureller Gewalt von Industrie - gegen Entwicklungsländer, von herrschenden Eliten gegen ihre Mitbürger, von mächtigen wirtschaftlichen Akteuren gegen Landlose, Kleinbäuerinnen, Hirten und Indigene. Im Zentrum jeder Strategie zur Überwindung der Ernährungskrise müssen deshalb die Menschenrechte stehen.

Basel, 16.10.2010, akte/ Es begann mit der sogenannten Tortilla-Krise in Mexiko, als Slumbewohner wegen explodierender Preise für Grundnahrungsmittel nichts mehr zu essen hatten. Ihre lauten Proteste im Januar 2007 bildeten den Anfang einer Serie von Hungerrevolten in etwa 40 Staaten. Zwei Jahre später stellte die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO, fest, dass die Zahl der Hungernden erstmals die Milliardengrenzen überschritten habe.
Die FAO berief eine Reihe von Fachkonferenzen ein, die Bekämpfung von Hunger wurde zur obersten Priorität auf der internationalen Agenda erklärt. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon setzte eine High Level Task Force on the Global Food Crisis (HLTF) ein, bestehend aus Delegierten der relevanten UNO-Organisationen, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds IWF und der Welthandelsorganisation WTO. Die in der  HLTF vertretenen Regierungen und Organisationen verabschiedeten 2008 einen Aktionsplan zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise. Dabei setzten sie einerseits auf ein stärkeres Engagement der Regierungen in die Landwirtschaft und die besondere Berücksichtigung der Kleinbauern, anderseits aber auch auf Handelsliberalisierung, allerdings ohne auf die Problematik von Landnutzungskonflikten zwischen Investoren und Kleinbauern einzugehen. Milliarden von US-Dollars wurden seither von der UNO-Welthungerhilfe, der Weltbank, der FAO und anderen Stellen ausgegeben, für Nahrungsmittelhilfe, Kompetenzerweiterung, Beschäftigungsprogramme, Consulting und die Förderung der lokalen Nahrungsmittelproduktion.
Die Menschenrechte sind der Schlüssel zur Überwindung des Hungers
Doch alle diese Massnahmen greifen zu kurz, weil sie das grundlegende Problem der ungerechten Marktstrukturen nicht aufgreifen. Weltweit wird (noch) genügend Nahrung produziert, doch – so argumentieren die AutorInnen der Publikation – die globale Handels- und Investitionspolitik hat die landlosen Farmarbeiterinnen, die Kleinbauernfamilien, die Hirten, die Indigenen und die SlumbewohnerInnen verarmen lassen. Am meisten davon betroffen waren die Frauen. Diese vorherrschende Handels- und Investitionspolitik missachtet das Menschenrecht auf Nahrung, das sowohl zu den universellen Menschenrechten gehört wie auch im Sozialpakt (International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights ICESC) verankert ist.  Es braucht also nicht nur Hilfe, sondern politische Schritte, um die skandalöse Hungerkrise zu überwinden.
Die Internationale Konferenz "The Global Food Challenge" suchte im November 2008 in Genf nach neuen Zugängen für eine Wirtschafts- und Handelspolitik, die das Recht auf Nahrung unterstützt. Mit dem Erscheinen der gleichnamigen Publikation erhalten Fachleute eine wichtige Grundlage für die Ausarbeitung von Strategien, Kampagnen und Projekten. Wie steht das Recht auf Nahrung in Beziehung zu Freihandelsabkommen? Welchen Einfluss haben Freihandelsabkommen auf das Recht auf Nahrung? Was ist der Unterschied zwischen legitimer Investition und moralisch fragwürdiger Spekulation? Warum ist es so entscheidend, dass Frauen in Konzepten zur Überwindung des Hungers eine wichtige Rolle spielen? Diese und weitere Fragen werden im Detail beantwortet, mit Beispielen illustriert und mit Forderungen weitergeführt. Schliesslich bietet die Publikation auch einen Überblick über neue Ansätze. The Global Food Challenge ist relevant und aktuell, und obwohl trocken geschrieben, überaus empfehlenswert.
The Global Food Challenge – Towards a Human Rights Approach to Trade and Investment Policies. Publikation von Brot für alle, Brot für die Welt, Ecumencial Advocacy Alliance, FIAN, Germanwatch, Heinrich Böll Stiftung, IATP, Dezember 2009 (Englisch). SFr. 8.-; ISBN 978-3-9813381-0-2
Das Buch ist erhältlich bei Brot für Alle, Bern