Der Auswahl- und Abgleichprozess

Eine gute Übereinstimmung zwischen den Fähigkeiten und Erwartungen der Freiwilligen und den Projektanforderungen ist der wichtigste Schlüssel für eine erfolgreiche Freiwilligenarbeit. Dies erfordert nicht nur ein klares Bewusstsein und eine klare Kommunikation, wofür Fähigkeiten benötigt werden, sondern auch einen intensiven Auswahlprozess, um herauszufinden, ob Freiwilliger und Projekt zusammenpassen. Häufig erfordern Freiwilligeneinsätze spezielle Aufgaben wie z.B. den Unterricht, was besondere Ausbildung und Qualifikation erfordert. Es ist die Pflicht der Agentur, entweder nur KandidatInnen auszuwählen, die die erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikationen mit sich bringen, oder ihnen die notwendige Ausbildung zu vermitteln. Dazu ist eine individuelle Arbeitsbeschreibung erforderlich, die die Erwartungen an das Projekt enthält und auch dem Antragsteller zur Verfügung stehen sollte. Die zuständigen Stellen sollten mindestens über ein grundlegendes Auswahlverfahren verfügen, einschliesslich des persönlichen Kontakts mit den Bewerbern. Trotz der Motivation, ein Freiwilligenprogramm durchzuführen, ist nicht jede Person dazu in der Lage.

Vor der Ankunft: Infos und noch mehr Infos

Nach der Auswahl sollte die Agentur alle notwendigen Informationen über den Aufenthalt, die Ankunft, die Visumpflicht und weitere Informationen zur Verfügung stellen. Obwohl diese Aspekte oft in der Verantwortung der Freiwilligen liegen, sollten die Agenturen hier Unterstützung anbieten, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Insbesondere die gesetzlichen Anforderungen an die Freiwilligenarbeit müssen klar sein. Viele Länder benötigen ein spezielles Visum für die Arbeit, auch wenn es nicht gewinnorientiert ist. Freiwillige müssen sicher sein, dass sie durch ihre Mitarbeit im Projekt keine lokalen Gesetze verletzen. Darüber hinaus sollten die Freiwilligen so viele Informationen wie möglich über ihre konkrete Aufgabe, die Unterkunft, die Kollegen und das Projekt erhalten. Vorzugsweise ermöglicht die Agentur dem Freiwilligen, ehemalige Freiwillige für Insiderinformationen zu kontaktieren. All dies sollte vor der Unterzeichnung eines Vertrages oder einer definitiven Buchung verfügbar sein. Der Auswahlprozess sollte sich aber nicht nur auf den Freiwilligen und die Agentur beschränken. Die Projekte selbst müssen über die Profile der ankommenden Freiwilligen gut informiert sein und das Recht haben, Freiwillige aus eigenen Gründen abzulehnen. Vor Beginn der Arbeit müssen die Freiwilligen an einer Schulung oder Orientierungsveranstaltung teilnehmen, die mindestens drei Tage dauern sollte, unabhängig von der Dauer des Aufenthalts. Freiwillige müssen ihre Verantwortung, ihre Grenzen und die Erwartungen an sie kennen. Auch ein grundlegendes Verständnis der lokalen Gewohnheiten und Regeln sollten vorab vermittelt werden,  um interkulturelle Missverständnisse zu vermeiden.

Während des Aufenthaltes

Während der Projektlaufzeit müssen die Freiwilligen einen Mentor oder zumindest eine Bezugsperson haben, die sie bei Problemen, Fragen oder Zweifeln ansprechen können. Ein Ansprechpartner hilft, Probleme oder Missverständnisse zu vermeiden und den Erfolg des Aufenthalts zu erleichtern. Es sollte sorgfältig überwacht werden, wie viele Freiwillige gleichzeitig im Projekt arbeiten. Durch eine grössere Anzahl von Stammpersonal können die langfristigen Ergebnisse viel einfacher erreicht werden, und der Freiwillige läuft weniger Gefahr, einen regulären Mitarbeiter zu ersetzen. Freiwillige sind in der Regel unqualifizierte Mitarbeiter, die das Projekt unterstützen, aber nicht wesentlich für den Erfolg des Projekts sein sollten. Das Gleiche gilt für Projekte, die minderjährige Freiwillige aufnehmen. In diesem Fall ist eine noch höhere Quote an Stammpersonal erforderlich. Die meisten Freiwilligen in den meisten Ländern haben kein vergleichbares Gesundheits- und Notfallsystem wie die westlichen Länder. Die zuständigen Behörden müssen über einen Notfallplan oder -system verfügen, der grosse, aber auch individuelle Notfälle abdeckt. Während des Aufenthalts sollten regelmässige Evaluierungsgespräche stattfinden, um sicherzustellen, dass keine Konflikte oder Probleme die Arbeit während des Freiwilligenaufenthaltes behindern. Vor der Heimreise sollten der Freiwillige und der Mentor den gesamten Aufenthalt gemeinsam bewerten, um einerseits dem Freiwilligen zu helfen, über die gewonnenen Erkenntnisse nachzudenken und andererseits die Situation für nachfolgende Freiwillige, falls notwendig, zu optimieren. Freiwillige sollten sich auch Gedanken darüber machen, wie sie das Projekt nach ihrer Rückkehr von zu Hause aus unterstützen können. Ein Feedback sollte auch an die Agentur gegeben werden, um den Auswahlprozess zu optimieren.

Regeln und Vorschriften

Für ein gemeinsames Verständnis der Freiwilligenarbeit ist es wichtig, klare Regeln und Vorschriften zu haben, um Missverständnisse und Probleme zu vermeiden. Freiwillige müssen wissen, wie viele Stunden pro Tag sie arbeiten müssen, wann sie erscheinen sollen usw. Projekte sind auf die Präsenz und die Motivation der Freiwilligen angewiesen, und die unerwartete Abwesenheit von Freiwilligen kann zu grossen Problemen führen. Vorzugsweise wird der Vertrag zwischen den folgenden drei Parteien unterzeichnet: Das Projekt, die Agentur und der/die Freiwillige. Freiwillige können von den Agenturen und Projekten erwarten, dass sie den Einsatz und Verwendung der Antragsgebühren transparent ausweisen. Viele Organisationen, die Freiwilligenprojekte anbieten, sind als NGO oder Non-Profit-Unternehmen registriert. Dennoch kommt in vielen Fällen der grösste Teil der Gebühren nicht den lokalen Projekten zugute, sondern nur der Agentur. Je höher die Summe, die an das Projekt geht, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Agentur versucht, das Projekt zu unterstützen und nicht nur ein Freiwilligenprojekt an die Kunden zu verkaufen. In den meisten Ländern müssen NGO und Non-Profit-Organisationen besondere Berichtspflichten über ihre finanzielle Situation erfüllen und in der Lage sein, auf Fragen des Antragstellers zu antworten. Die Absicht von Freiwilligenagenturen lässt sich oft aus ihrem Marketing und ihrer Kommunikation ableiten. Unter den professionellen Entwicklungsagenturen herrscht die allgemeine Auffassung, dass die Begünstigten auch im Vertrieb und Marketing immer in einer würdevollen Situation gezeigt werden sollten. Bilder von weinenden oder hungernden Kindern sind für das Herz des Betrachters sehr ansprechend, aber sie respektieren die gezeigte Person nicht, die meist nicht einmal weiss, dass sie Teil einer Medienkampagne ist. Ethische Standards im Marketing können daher ein guter Hinweis sein, um ein Qualitätsangebot zu identifizieren.

Die Auswirkungen des Projekts

Die Projekte müssen von den lokalen Bedürfnissen und nicht von den Interessen der Freiwilligen bestimmt werden. Freiwillige können ein Schlüssel zum Erfolg der Entwicklungszusammenarbeit und zur Erreichung des Projektziels sein. Aber oft gibt es Alternativen zu Freiwilligen. In einigen Fällen können z.B. langfristige Freiwillige oder professionelle Entwicklungshelfer eine grössere Wirkung erzielen. Die Aufnahme von Freiwilligen darf daher kein Selbstzweck sein. Projekte, die Freiwillige aufnehmen, müssen ein definiertes Ziel verfolgen, wie z.B. die Verbesserung der Lebensbedingungen für ihre Zielgruppen, die Verbesserung ökologischer Standards etc. Projekte sollten nach der Logik von Wirkung und Ergebnissen konzipiert werden. Die Entwicklungsgemeinschaft versucht, die Kolonialgeschichte nicht zu wiederholen, sondern den Einheimischen zu ermöglichen, sich selbst um ihre Probleme kümmern zu können, um so langfristige globale Abhängigkeiten zu vermeiden. Es kann sein, dass die Projektziele langfristig definiert sind, aber auf jeden Fall sollten Projektfortschritt und -entwicklung laufend überwacht und bewertet werden. Ein Projekt muss immer so definiert sein, dass es ein Ende hat.

Die Übereinstimmung zwischen Fähigkeiten und Erwartungen des Freiwilligen ist absolut entscheidend für den Erfolg des Freiwilligeneinsatzes. Obwohl die meisten Freiwilligen in der Schule oder an der Universität eine qualitativ hochwertige Ausbildung erhalten haben, qualifiziert sie dies nicht unbedingt dazu, ein gute Lehrperson zu sein, da ihnen wahrscheinlich die pädagogischen Fähigkeiten fehlen. Es mag einfach erscheinen, einem Haufen 10-Jähriger einige Grundlagen der englischen Sprache beizubringen, aber nur ausgebildete LehrerInnen können die Schaffung von langfristigem Wissen garantieren. Im schlimmsten Fall kann die Anwesenheit von Freiwilligen dazu führen, dass keine ausgebildeten Personen für das Projekt angestellt werden. Auf diese Weise zerstört das Freiwilligenprogramm lokale Arbeitsplätze und erschwert es zusätzlich, Wohlstand und Entwicklung zu schaffen. Es ist daher wichtig darauf zu achten, dass Freiwilligenprojekte keine negativen Auswirkungen auf den lokalen Arbeitsmarkt haben.

Die Aufgabe eines Freiwilligen sollte klar definiert und messbar sein. Wenn es um bestimmte Verantwortlichkeiten und organisatorische Regeln und Vorschriften wie Arbeitszeit, Urlaub oder Hierarchie geht, sollten Freiwillige gleich behandelt werden wie andere Mitarbeiter im Projekt und nicht aufgrund ihres Freiwilligenstatus anders behandelt werden. Der Freiwillige muss eine klare Vorstellung davon haben, was von ihm erwartet und gebraucht wird, um die Arbeit erfolgreich erledigen zu können. Wenn ein Freiwilliger geht, sollte die Aufgabe an den Nachfolger übergeben werden, damit die Bemühungen des Vorgängers nicht verloren gehen. Um sicherzustellen, dass die Projektziele erreicht werden, müssen die Agenturen regelmässig die Arbeit von Freiwilligen bewerten, um herauszufinden, ob die Freiwilligenarbeit immer noch dazu beiträgt die Ziele zu erreichen oder nicht.