Die Kampagne «Euro 08 gegen Frauenhandel» verlangt einen besseren Schutz der Opfer von Zwangsprostitution. Angesprochen sind insbesondere die männlichen Fussballfans an der Europa-Fussballmeisterschaft.
Ein Zug angeketteter Frauen mit gespenstischen Gesichtsmasken schreitet wortlos die Falknerstrasse in Basel hinunter. Frauen und Männer mit Trillerpfeifen machen Passierende auf den Sklavinnentross aufmerksam, Transparente verraten das Thema der Strassenaktion: Frauenhandel und Zwangsprostitution.
Am 8. März, dem Weltfrauentag, startete auch in der Host City Basel die schweizweite Kampagne «Euro 08 gegen Frauenhandel». 25 Organisationen, darunter kirchliche Hilfswerke und Vereinigungen, informieren vor und während der Fussball-Europameisterschaft über das Thema Frauenhandel und regen potenzielle Freier unter den männlichen Fussballfans zu verantwortungsvollen Verhalten an.

Einheitlicher Opferschutz
Kernstück der Kampagne ist eine Petition zuhanden von Bundesrat, Parlament und Kantonsregierungen für einen besseren Schutz der Opfer von Frauenhandel. Gefordert wird unter anderem ein Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Weitere Anliegen sind einheitliche Opferschutz-Standards in allen Kantonen, die sichere Unterbringung sowie eine spezialisierte Betreuung und Beratung der von Gewalt betroffenen Frauen. Lilian Studer-Senn vom Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz an der Kundgebung in Basel: «Der Frauenhandel ist eine moderne Form der Sklaverei, in welcher Täter und Täterinnen selten zur Rechenschaft gezogen werden.»
Während die Zahl der Verurteilten gerade mal zwischen zwei und zwölf pro Jahr liegt, könnten nach Schätzungen des Bundesamts für Polizei in der Schweiz 1500 bis 3000 Menschen pro Jahr vom Handel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung betroffen sein. Die Opfer, überwiegend Frauen, stammen vornehmlich aus Ost- und Südosteuropa, den baltischen Staaten, Brasilien und Thailand.
 
Marianne Pfeiffer, die im ökumenischen Aids-Pfarramt beider Basel Frauen im Sexgewerbe berät und begleitet, weiss, dass es in Basel «immer wieder Frauen» gibt, die «nicht ganz freiwillig» in der Prostitution arbeiten. Die Pfarrerin erzählt von einer Thailänderin, die von ihrem Schweizer Ehemann zur Sexarbeit gezwungen wurde. Er habe das ganze Geld kassiert und sie auch noch zu seiner Haushälterin degradiert. Die Frau sei von ihrem Mann ständig überwacht worden. Marianne Pfeiffer: «Die Schweiz wurde für sie zum Alptraum.» Erst, nachdem der Mann bei einem Verkehrsunfall starb, konnte sie ihr (Berufs-)Leben selbst in die Hand nehmen.

Pfeiffer weiss von den Nöten und Ängsten ihrer Klientinnen: Die Familie in der Heimat, die keinesfalls von ihrem «Doppelleben» erfahren darf; Kinder, die es zu versorgen gilt; Drogenprobleme, schlechte Arbeitsbedingungen als Tänzerinnen, Gewalt von Freiern. Die Seelsorgerin appelliert an die Adresse der Freier, sie müssten sich bei Sexdiensten im Klaren darüber sein, dass manche Frauen unter Zwang arbeiten. Wenn eine Prostitutierte zum Beispiel verängstigt wirkt, das Geld nicht selber in Empfang nimmt, kaum deutsch spricht, kein eigenes Handy haben darf oder Spuren von Misshandlungen am Körper zeigt, seien das Hinweise, dass sie unter Zwang anschafft. «Dies sollte einem Freier nicht gleichgültig sein», so die Pfarrerin, «sondern der Polizei gemeldet werden.»
Quelle: www.frauenhandeleuro08.ch
Der Beitrag erschien erstmals im Interkantonalen Kirchenboten, www.kirchenbote-online.ch; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung
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Siehe auch: Frauenhandel und Zwangsprostitution: Ausstellung «Ohne Glanz und Glamour» im Kollegienhaus der UNI Basel