Basel, 14.10.2011, akte/ Die Buschleute aus dem Central Kalahari Game Reserve (CKGR) feiern die Wiedereröffnung ihres Brunnens, den die Regierung nach der Vertreibung der Buschleute hatte versiegeln lassen. Erstmals seit neun Jahren können sie wieder Trinkwasser aus dem Bohrloch in Mothomelo fördern. Während des längsten Gerichtsverfahrens Botswanas wurde bereits 2006 das Recht der Buschleute bestätigt, auf ihrem Land leben zu dürfen. Ihr Menschenrecht auf Zugang zu Wasser wurde jedoch erst im Januar 2011 von Botswanas Berufungsgericht anerkannt. Aber auch nach diesem Entscheid bewegte sich die Regierung nicht. Im Juni kündigte stattdessen der Diamantenkonzern Gem Diamond in einer Pressmitteilung an, er werde zusammen mit der NGO Vox United Wasserlöcher für die San-Buschleute bauen und mit Desalinierungsanlagen ausstatten.
Dass der Diamantenkonzern als Helfer der Buschleute auftritt, ist eine seltsame Wendung in diesem ungleichen Seilziehen zwischen den San-Buschleuten, die von der umtriebigen britischen NGO Survival International unterstützt werden in ihrem Kampf um ihr traditionelles Land, und der Regierung und dem Diamantenkonzern auf der anderen Seite, welche das Gebiet wirtschaftlich erschliessen wollen.

Die Buschleute im Niemandsland

Noch immer lebt die Mehrheit der 2002 vertriebenen 2’500 San-Buschleute ausserhalb ihres angestammten Landes in den von der Regierung erstellten Unterkünften. Dort haben sie keine Möglichkeit zum Jagen oder Sammeln und leben kulturell und wirtschaftlich von ihrer Tradition abgeschnitten. Die Regierung will das Recht auf Rückkehr nur den 159 San zugestehen, welche als KlägerInnen gegen die Vertreibung von 2002 vor Gericht gingen und den Fall 2006 gewannen. Aber selbst diese werden, wenn sie die Rückkehr wagen, von Parkwärtern schickaniert, geschlagen, kopfüber aufgehängt, zu schweisstreibenden Übungen mitten in der grössten Hitze gezwungen, angeblich, weil sie jagen und sammeln und somit, nach Darstellung der Parkwärter, die Ressourcen im Naturpark gefährden. Dabei hatte die Regierung noch vor der Vertreibung 2002 einen Plan ausgearbeitet, der eine Art Biosphärenreservat für die Central Kalahari Game Reserve vorsah. Die San hätten gemäss dem damaligen Plan mit ihrer traditionellen Lebensweise für den Schutz des Naturschutzgebietes gesorgt.

Keine Rechte, dafür Corporate Social Responsibility

Die Ursache für den Sinneswandel der Regierung sehen die San und ihre Unterstützer darin, dass die Regierung die reichen Diamantenvorkommen in der CKGR erschliessen wollte. Sie gab verschiedenen Diamantenunternehmen die Rechte auf Sondierbohrungen. Der grösste Konzern, De Beers, zog sich 2007 zurück, offiziell, weil er nicht auf Landkonflikte mit Indigenen einlassen wollte. De Beers verkaufte seine Rechte für 35 Millionen US Dollar an Gem Diamonds. Ein Jahr später gab Gem Diamonds der südafrikanischen Firma für Marktstudien, Demacon, den Auftrag, eine Sozial- und Umweltverträglichkeitsstudie zu erstellen. In dieser Studie werden die Landrechtsfrage und ebenso die ökologischen Probleme erwähnt, welche die Förderung inmitten eines Naturschutzgebietes aufwirft. Die San erklärten, sie seien nicht in der Lage, eine vorgängige informierte Zusage für das Projekt zu geben, solange sie nicht wieder in ihrem Land leben könnten. Der Geschäftsleiter des Diamantenförderungsprojekts Gope, Haile Mphusu, hat trotzdem ein gutes Gewissen: Das Einholen einer frühzeitigen informierten Zusage der San hält er nicht mehr für nötig. Die San-Leute seien genügend informiert über das Projekt und hätten nichts dagegen. Und wegen der ökologischen Auswirkungen habe sich die Firma schliesslich für eine umweltfreundlichere Untertagsmine entschlossen. Die übrigen möglichen Probleme gehe die Firma mit einem Corporate Socal Responsibility Programm an. Der internationale Skandal wegen Blutdiamanten aus Bürgerkriegsländern wie Sierra Leone oder Angola hatte die Nachfrage nach Diamanten aus Afrika über Jahre gesenkt. Und mit der Nachfrage sank auch der Preis. Erst 2010 stieg der Preis wieder um sagenhafte 26 Prozent, und für dieses Jahr rechnen die Fachleute mit einem erneuten Anstieg um 25 Prozent. Die Regierung Botswanas betont stets gerne, die Diamanten aus der Central Kalahari Game Reserve seien menschenrechtlich "sauber". Den Streit um das Land der Indigenen wischt die Regierung am liebsten einfach unter den Tisch.

Grosse Pläne für Investoren – trübe Aussichten für die San

Teil des Corporate Social Responsibility Programms von Gem Diamonds sind die jetzt gebauten Brunnen, mit denen die Gunst der Buschleute für das Minenprojekt gewonnen werden soll. Weitere Segnungen soll später der Kalahari-Tourismus bringen. "Die Wertschöpfung im Land muss durch gemeinsame Anstrengung erreicht werden", sagt Mphusu, "Sehen Sie, alle müssen ihren Teil beitragen, die Zivilluftfahrt, Tourismus und Gastgewerbe, Infrastruktur." Mphusu wünscht sich für das diamantenreiche Botswana: "Wir müssen unsere eigene Diamantengräbermentalität entwickeln!"
Der Zeitplan von Gem-Diamonds für das Gope-Projekt ist anspruchsvoll: Schon im ersten Quartal von 2013 sollen die Felsexplosionen und der Abbau in der Gope-Mine in vollem Schwunge sein. Während 25 Jahren darf die Minengesellschaft die Vorkommen in Gope ausbeuten, ein Land von 45 Quadratkilometern. Ein Gebiet von knapp einem Prozent der 52’000 Quadratkilometer gross Central Kalahari Game Reserve zu bewirtschaften klingt unproblematisch. Aber für den Betrieb der Mine müssen unter anderem eine Strasse und eine Stromzuleitung gebaut werden, der Verkehr mit den Lastern verursacht Lärm, der die Wildtiere aufschreckt, die Mine produziert Abfall, Siedlungen für die Arbeiter sind vorgesehen, das Wildern wird zunehmen. Die Strasse soll, zur Schonung des Wildes, der Grenze der CKGR entlang zu liegen kommen. Der Wildzaun am Rande der CKGR soll geschlossen werden – hinein und hinaus dürfen dort nur noch Mitarbeiter von Gem Diamonds. – Und Gope ist nur eines von vielen Diamantenförderungsprojekten, die noch auf ihre Bewilligung warten.
Quellen: Durchbruch: Brunnen für Botswanas Buschleute, Survival International, 05.09.2011 www.survivalinternational.de ; Gem Diamonds Botswana and VOX United to hand over Boreholes to residents of the Central Kalahari Game Reserve (CKGR) in Botswana, Pressemitteilung von Gem Diamonds, 10.08.2011; Mining Gope is no child’s play. Weekendpost 30.05.2011, www.weekendpost.co.bw ;   Gem in merger talks with Lucara, dclacertificationlaboratory.blogspot.com , 22.03.2011; Jeremy Sarkin and Amelia Cook: The Human Rights of the San (Bushmen) of Botswana – The Clash of the Rights of Indigenous Communities and their Access to Water with the Rights of the State to Environmental Conservation and Mineral Resource Exploitation. Journal of Transnational Law & Policies, Vol. 20, 2010-2011; S. 1-38; Francis Sefe, Ehes Pty: Environmental Screening and Environmental Impact Assessment Report for Kaudwane-Gope Route and Lephepe-Gope-Route Alternatives, May 2008; Hein du Toit, Demacon Market Studies: Gope Diamond Mine, Botswana: Social and Environmental Impact Assessment (SEIA) for Project Beta, April 2008