Eine geschenkte 5-Tages-Interrailkarte zwang uns, uns auf das digitale Billett einzulassen. Trotz gewissen Anfängerbefürchtungen (hab ich genug Akku? Internetverbindung? funktionierts dann?) hat das gut geklappt. Die Streckenreservationen haben wir aber doch vorgängig beim SBB-Schalter machen lassen: Ein Papier in der Hand fühlt sich immer noch sicherer an.

Zum Teil bestehen die auf der Portugallandkarte eingezeichneten Bahnlinien noch, sind aber stillgelegt oder werden restauriert. Die spanischen Trenotel Nachtzüge z.B. gibt es seit Corona nicht mehr. Da mussten wir streckenweise auf Fernbusse umsteigen. Diese sind sehr pünktlich, komfortabel und günstig. In Spanien sieht es noch anders aus: Da quert man in bequemen Hochgeschwindigkeitszügen das ganze Land in wenigen Stunden; eigentlich bräuchte es die Nachtzüge gar nicht mehr. Leider ist auch unser sonst sehr guter Reiseführer vor allem auf Autoreisen ausgerichtet, und man muss sich damit abfinden, dass gewisse «Lieblingsorte» sich einfach nicht mit dem ÖV erreichen lassen. Dennoch gibt es genug schöne Plätzchen zu entdecken.

Klima-Grosseltern fragen sich durch, statt zu googeln

Wir waren wir ziemlich viel zu Fuss unterwegs, wohl mangels Ortskenntnissen und weil wir uns zu wenig Zeit genommen hatten, uns in jeder Stadt wieder mit den verschiedenen ÖV-Angeboten auseinander zu setzen (Tram, Bus, Metro, Zug, Schiff, inkl. Velomiete). Manchmal ist es schon schwierig, die benötigten Informationen zu Billettverkaufsstellen, Übersichtsplänen oder Fahrplänen zu kriegen. Wie soll ich nur wissen, ob der Bus der richtige ist, wenn der nur mit «Endhaltestelle» angeschrieben ist? Aber man kann sich sehr gut durchfragen, die Portugies*innen sind überaus freundlich und hilfsbereit. Allerdings kennen sich nur wenige mit dem ÖV aus; am besten fragt man nur die Leute an den Haltestellen.

Versierte Handy-Benutzer*innen werden sich da wahrscheinlich eher zurechtfinden, da Portugals Verkehrsmittel digital stark aufgerüstet haben.
Doris Häfliger & Frank Haupt, Klima-Grosseltern

Möglichst keine touristischen Hotspots

Nach Möglichkeit haben wir die touristischen Hotspots gemieden, was uns auch recht gut gelungen ist. Zamora (Spanien), Bragança, Viana do Castelo und Guarda sind hübsche, gut erhaltene (restaurierte), geschichtsträchtige mittelalterliche Städte, die, jedenfalls im Mai, vor allem von einheimischen Tourist*innen besucht werden. Im Gegensatz dazu werden Porto und Braga ganzjährlich von Touristenströmen heimgesucht.

Klima-Grosseltern meiden bewusst touristische Hotspots. Hier: Gasse in Bragança
Klima-Grosseltern meiden bewusst touristische Hotspots. Hier: Gasse in Bragança

Die Reise Von Solothurn–Barcelona

A propos stressfrei: ein bisschen nervös waren wir schon, als bereits der Regio von Genf mit grosser Verspätung in Lyon ankam. Aber der TGV aus Paris wartete ein paar Minuten auf uns, so dass uns der Ärger wegen fehlender Anschlüsse erspart blieb und wir nach neun Stunden in Barcelona ankamen.

Aus Erfahrung von früheren Städtereisen war ein Ziel, die Fussstrecken in den Städten zwischen Unterkunft und Reisemittel möglichst kurz zu halten. So haben wir alle Unterkünfte (B&Bs und Hotels) im Voraus gebucht und in Barcelona und in Porto quasi im Bahnhof logiert.

Von Barcelona via Madrid nach Zamora

Eine Herausforderung war der Bahnhofwechsel in Madrid. Im Ankunftsbahnhof Madrid Atocha wiesen uns mindestens drei Alternativen nach dem Anschlussbahnhof Chamartin: Metro, Bus oder Regio. Welche würde uns rechtzeitig hinbringen? Wir einigten uns auf den Regio, aber hier verlangte die Zugangssperre einen QR-Code, den das Interrailticket nicht liefern konnte. Nach längerem Suchen half uns dann das rare, aber freundliche Bahnpersonal über die Schranke. Von hier brachte uns der komfortable Hochgeschwindigkeitszug nach Zamora, ein hübsches mittelalterliches Städtchen wenige Kilometer von der Grenze zu Portugal.

Ansicht von Zamora
Ansicht von Zamora

Ab Zamora ging es weiter mit dem Bus – da die Bahnlinie aufgehoben wurde – nach Bragança, einem alten portugiesischen Garnisonsstädtchen, mit Übernachtung in einer charmanten und liebevoll restaurierten Pousada. Dann weiter nach Braga, einer jugendlichen Universitätsstadt und religiöse Hauptstadt Portugals.

In Portugal selber besuchten wir Städte im Hochland (Gerês Nationalpark), am Meer und am Douro, wo wir jeweils für ein paar Tage blieben und nebst Stadtbesichtigungen auch Wanderungen oder Velotouren unternahmen, um Land und Leuten näher zu kommen und unsere reiseschlaffen Hintern zu bewegen.

Wanderung in Gêres Nationalpark bei Braga
Wanderung in Gêres Nationalpark bei Braga
Während in spanischen Städten Gelbtöne vorherrschen, geben die grauen mittelalterlichen Granitbauten, Zeichen von Beständigkeit und Wehrhaftigkeit, den Städten im Norden Portugals eine eigene Schwermut.
Doris Häfliger & Frank Haupt, Klima-Grosseltern

Am Ziel: Porto

Nach einem Abstecher an die weitläufigen Strände von Viana do Castelo erreichten wir Porto: Hier fanden wir eine ganz spezielle Unterkunft, das Passenger Hostel, in einem Flügel des altehrwürdigen Bahnhofs Sao Bento. Die Decken der Räume sind mit ca. 6m dermassen hoch, dass sich in den Zimmern problemlos ein Zwischenboden einbauen liesse. Das macht sie sehr geräumig. In Bahnhofnähe befindet sich auch eine Bäckerei, deren Pasteis de nata unvergessen sind, und wir dafür das lange Anstehen gerne in Kauf nahmen.

The Passenger Hostel Zamora
The Passenger Hostel

Irgendwann hat man genug vom Gold der Kathedralen und Paläste (der Reiseführer zu Sao Francisco in Porto: «Hier ist wirklich alles Gold was glänzt»). Da bot sich uns ein Ausflug an den Strand oder nach Vila do Conde mit dem Vorortszug an, wo wir die Grösse des römischen Aquädukts und die Kleinheit der «Santa Maria» des Kolumbus bewundern.

Die Rückfahrt nach Porto unternahmen wir in der Vintage-Bahn, die Pocinho, ganz oben am Douro, mit Porto verbindet. Eine sehr malerische, gemütliche Fahrt dem Fluss entlang.

Entlang dem Rio Duoro
Entlang dem Rio Duoro

Eine lange Rückreise

Nach einer Woche Porto traten wir die Rückreise an, mangels Bahn (die wird offenbar saniert) mit dem Bus bis Guarda, ein malerisches Städtchen nahe der Grenze, auf einem Hügel gelegen, mit sagenhaftem Rundblick. Im Zentrum bezogen wir ein günstiges B&B, dem Guesthouse da Sé, in einem ehrwürdigen Patrizierhaus, mit Blick auf den Zentralplatz und sagenhaften 7m2 Wohnfläche (inkl. Dusche/WC!).

Von Portugal via Salamanca nach Narbonne

In Salamanca liessen wir uns verzaubern im wunderschönen Museo Art Nouveau y Art Déco – Casa Lis u.a. mit Vasen und Lampen von Emile Gallé. Schmerzlich mussten wir hier die spanische Esskultur erfahren: all die angebotenen Köstlichkeiten der lokalen Küche reichten bloss zum Einspeicheln, da die ersten Restaurants nicht vor 21:00 öffnen, und wir doch am nächsten Morgen den Zug 6 Uhr 25 nach Madrid nehmen wollten. Also gings mit einem Sandwich ins Bett, wir hatten ja sonst immer gut gegessen…

Von Madrid gings weiter via Barcelona nach Narbonne. Logis in einem familiären, kleinen Hotel, dem Will’s Hotel. Mit seinen leeren Gassen und den verschlossenen Läden wirkte das verschlafene Städtchen am Abend eher abweisend. Dieser Eindruck wurde jedoch anderntags sofort korrigiert durch geschäftiges Treiben, freundliche Leute, nette Strassencafés, und die typische Markthalle.

Anderntags dann führte uns die letzte längere Zugstrecke (8 Std. 37 Min.) über Lyon und Genf problemlos nachhause. Über die ganze Reise waren wir immer wieder erstaunt über die Pünktlichkeit und den Komfort der Züge; aber auch hier wird mit zunehmender Digitalisierung der Dienstleistungen Personal eingespart, was den Reisenden ziemlich viel Selbständigkeit und Versiertheit in der Nutzung des Internets abverlangt.

Die Autorinnen

Doris Häfliger, & Frank Haupt

Doris Häfliger, aktive Klima-Grossmutter, und Frank Haupt, konvertierter Vielflieger (wenn auch nur beruflich), beide pensioniert aber nicht im Ruhestand, geniessen es, die Länder in bequemen Zügen zu erleben, statt sie nur zu überfliegen.