
Sonne, Strand – und dann? Warum der Reisesommer 2025 mehr Fragen als Antworten aufwirft
Grosse Reisepläne bei den Booking-Kund*innen: So beschreibt Booking.com den Reisesommer 2025. Laut eigener Umfrage planen mehr als ein Drittel der Schweizer Reisenden (35 %), mehr Geld für Ferien auszugeben als im Vorjahr. Auf den vorderen Plätzen der beliebtesten Reiseziele: Barcelona, Rimini, Palma de Mallorca, Lido di Jesolo und Málaga. Die Botschaft: Die Sehnsucht nach Sonne, Stadtleben und «Authentizität» ist ungebrochen.
Doch während sich die Branche auf Nachfrage-Rekorde freut, bleibt die Frage: Was bedeutet dieser Trend für die betroffenen Orte – und warum fehlen in solchen Berichten oft genau jene Perspektiven, die das Reisen langfristig lebenswert halten?
Wenn Buchungszahlen zum Trend erklärt werden
Die Booking-Studie basiert auf einer Kombination aus Umfrageergebnissen und Plattformdaten. Sie bildet vor allem das Verhalten der Reisenden ab – nicht aber die Tragfähigkeit der Reiseziele. Auch das häufig genannte Schlagwort «Authentizität» bleibt vage: Was damit gemeint ist, bleibt Interpretationssache – und wird in der Praxis oft zur austauschbaren Marketingfloskel.
Was die Studie nicht thematisiert: Nachhaltigkeit, lokale Belastungsgrenzen, soziale Folgen. Statt einer kritischen Reflexion globaler Reiseströme wird Konsumlust zur Vision erklärt. Das dahinterliegende Wachstumsmodell kennt nur eine Richtung: mehr Komfort, mehr Erlebnis, mehr Umsatz. Doch wer fragt, was das für Lebensqualität, Infrastruktur oder Umwelt bedeutet?
Wenn Reisen zur Belastung wird – und wie man es besser macht
Dass der globale Tourismus an seine Grenzen kommt, ist längst kein abstraktes Zukunftsszenario mehr. Orte wie Venedig, Santorini oder Mykonos kämpfen mit überfüllten Gassen, verdrängten Einheimischen und überlasteter Infrastruktur. Dennoch finden sich diese Destinationen regelmässig auf den vorderen Plätzen globaler Buchungsplattformen – weil dort Nachfrage als Trend interpretiert wird, nicht Belastung.
Einen anderen Weg geht der Reiseveranstalter Evaneos, der gemeinsam mit der Unternehmensberatung Roland Berger einen Overtourism-Index 2025 entwickelt hat. Der Index misst touristische Überlastung nicht nur anhand von Besucherzahlen, sondern kombiniert vier zentrale Kriterien: Touristendichte, Bevölkerungsgrösse, Saisonspitzen und Bereitschaft zur Nachhaltigkeit in den Destinationen.
Das Ergebnis: Überlastete Hotspots wie Santorini, Mykonos und Venedig fliegen 2025 komplett aus dem Angebot von Evaneos. Das ist ein deutliches Signal – nicht nur an Kund*innen, sondern auch an eine Branche, die zu oft am Wachstumsparadigma festhält.
Der Index setzt damit einen wichtigen Impuls für einen gerechteren und vorausschauenden Tourismus. Er liefert datenbasierte Entscheidungsgrundlagen und könnte langfristig auch als Werkzeug für Destinationen dienen, um ihre Kapazitäten realistisch einzuschätzen – unabhängig von ihrer Grösse oder geografischen Lage.
Was bislang fehlt, ist die flächendeckende Anwendung solcher Modelle – etwa in nationalen Tourismusstrategien oder bei der Produktgestaltung grosser Plattformen. Dabei wäre genau das nötig: von der Buchungsplattform bis zur lokalen Politik. Nur wer weiss, wo es zu viel wird, kann gezielt entlasten – und Alternativen schaffen, die mehr sind als Ausweichbewegungen.
Overtourism beginnt nicht auf Mykonos – sondern in Lauterbrunnen
Dass Overtourism längst auch Regionen betrifft, die kaum in globalen Rankings auftauchen, zeigt ein Blick in die Schweiz. Laut einem Bericht des Tagesanzeigers diskutiert Lauterbrunnen über Eintrittsgebühren, Iseltwald schliesst Stege, kleinere Berggemeinden geraten an ihre Grenzen.
Das zeigt: Nicht nur berühmte Postkartenorte, auch scheinbar idyllische Regionen müssen sich mit der Frage auseinandersetzen, wie viel Tourismus sie tragen können – und wollen.
Reisealternativen? Nur sinnvoll mit Kontext
Reisealternativen zu überlaufenen Destinationen zu benennen, ist ein sinnvoller Ansatz – wenn er nicht rein werblich bleibt. In einem Instagram-Reel haben wir selber einen Versuch gewagt, Schweizer Alternativen zu den beliebtesten Booking Sommerreisezielen 2025 zu benennen:
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Diese Vorschläge zeigen, dass es Alternativen gibt – aber keine einfachen Lösungen. Auch kleine Orte können überfordert sein, wenn plötzlich viele kommen. Overtourismus ist nicht nur eine Frage der Zahlen, sondern auch der Wahrnehmung und des sozialen Verhaltens, wie Tourismusforscher Florian Eggli im Interview mit Matteo Baldi von fairunterwegs betont. Eggli erklärt:
«In der Overtourismus-Debatte versucht man häufig eine Carrying Capacity – also eine maximale Tragfähigkeit – zu erfassen und die wird numerisch festgelegt: Einwohner*innen und Tourist*innen werden in ein Verhältnis gestellt. Das ergibt dann Zahlen, die sich mit entsprechender Technik gut messen lassen. Das greift meiner Meinung nach zu kurz.»
Damit wird deutlich: Entscheidend ist nicht nur, wo gereist wird – sondern wie. Sensibles Verhalten, kulturelle Codes und die Akzeptanz durch die lokale Bevölkerung sind ebenso ausschlaggebend wie reine Besucherstatistiken.
Fazit: Reisen mit Haltung statt nur mit Ticket
Der Sommer 2025 wird ein weiterer Rekordsommer werden – das legen die Zahlen nahe. Doch es wäre auch ein guter Moment, den Blick zu weiten. Echte Erholung braucht mehr als Sonne und Strand. Sie braucht Rücksicht, Raum und Reflexion.
Wer reist, beeinflusst. Nicht nur die eigene Stimmung, sondern auch die Realität anderer. Es ist Zeit, Tourismus als Beziehung zu denken nicht nur als Angebot.