
Burma: Der Komiker Zarganar ist frei!
Basel, 17.10.2011, akte/ Zarganar wurde am 5. Juni 2008 wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" festgenommen. Zuvor hatte er in seinem Blog über das schlechte Hilfsmanagement der birmanischen Regierung nach dem Zyklon Nargis im Frühjahr 2008 berichtet, der 138’000 Todesopfer und Vermisste zurückliess, und darüber auch mit ausländischen Medien gesprochen. Er hatte auch Hilfsgüter an die Opfer des Nargis organisiert. Im darauffolgenden November verurteilte ihn ein Sondergerichtshof im Gefängnis von Insein, in der Nähe der Stadt Rangun im Süden des Landes, zu 45 Jahren Haft. Wenige Tage später erhöhten die Richter die Strafe auf 59 Jahre. Am 16. Februar 2009 hat ein Gericht in Rangun die Haftdauer auf 35 Jahre reduziert.
Weltweit haben sich Zehntausende mit Amnesty International für Zarganars Freilassung engagiert. Auch die Schweizer Komiker Viktor Giacobbo und Yann Lambiel haben die Freilassung ihres Berufskollegen unterstützt. Dank einer grossen öffentlichen Plakat-Kampagne wurden auf der Internet-Site www.free-me.ch innerhalb eines Monats 26’000 Unterschriften gesammelt. Zusammen mit dem Internetdissidenten Nay Phone Latt wurde Zarganar im Jahr 2008 mit dem Reporter ohne Grenzen-Menschenrechtspreis in der Kategorie "Internetdissident" ausgezeichnet.
Mehrere hundert Gefangene wurden aus dem für seine menschenverachtenden Haftbedingungen bekannten Insein-Gefängnis entlassen, mehrere Dutzend davon politische Gefangene, darunter auch der Studentenaktivist Aung Kyaw Soe, der 1990 verhaftet und zu Tode verurteilt worden war, dessen Strafe aber in eine lebenslängliche Haft umgewandelt wurde. "Ich wurde nach 21 Jahren und zwei Tagen freigelassen. Ich bin froh über meine Freilassung, aber es tut mir leid für die Leute, die immer noch im Gefängnis sind", sagte er gegenüber der Presseagentur AFP vor den Gefängnistoren.
Es warten noch viele politische Gefangene auf ihre Freilassung
Benjamin Zawacki, Burma-Experte von Amnesty International, begrüsst zwar die Freilassung der politischen Gefangenen, erklärt aber: "Sie entspricht jedoch nicht den politischen Reformversprechen, die die Behörden von Myanmar kürzlich abgegeben haben. Solange die Zahl der Freigelassenen nicht wesentlich höher ist, müssen wir eher von nachlassenden Reformbemühungen sprechen, denn von einem massgeblichen Schritt nach vorn." Die neue, so genannt "zivile" Regierung unter dem ehemaligen General und hohen Junta-Mitglied Thein Sein hatte versprochen, im Rahmen einer Massen-Amnestie über 6’300 "ältere, kranke und gute Führung zeigende" Gefangene "aus humanitären Gründen" freizulassen.
Auch Reporter ohne Grenzen, die Organisation zum Schutz der Pressefreiheit, bewertet die Freilassungen in Birma als "erste, wichtige Geste". Gleichzeitig kritisiert Reporter ohne Grenzen die andauernde Inhaftierung weiterer Blogger und Journalisten, darunter 17 Videojournalisten des Exilrundfunksenders "Democratic Voice of Burma" und der Blogger Nay Phone Latt.
Die Regierung möchte die angekündigte Massen-Amnestie von Tausenden während des Safran-Aufstands oder während der früheren Studentenproteste festgenommenen politischen Gefangenen als ein klareres Zeichen des Wandels und des Bestrebens, das Land gemeinsam mit den Dissidenten aufbauen zu wollen, verstanden wissen.
Experten bleiben kritisch
Thein Sein punktete bei den westlichen Regierungen bereits mit seinen Unterredungen mit Aung San Suu Kyi, die während der meisten Zeit der letzten zwanzig Jahre unter Hausarrest gestanden hatte. Ausserdem stoppte die Regierung in einer seltenen Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung den Bau eines umstrittenen Mega-Staudamms und zog damit den Ärger seines traditionellen Verbündeten China auf sich.
Trotzdem bleibt Amnesty- Experte Zawacki skeptisch: "Die heutige Amnestie unterscheidet die neue burmesische Führung noch nicht von der vorangehenden Militärregierung. Wenn die burmesischen Behörden ernsthafte Reformbemühungen beweisen wollen, kann dies nur ein kleiner erster Schritt sein, dem möglichst bald die Freilassung aller politischen Gefangenen folgen muss."
Aung San Suu Kyi, deren Partei die Wahlen von 1990 gewonnen hatte, die aber von der Junta an der Ausübung ihres Amtes als Regierungschefin gehindert wurde, erklärte: "Ich glaube, dass Thein Sein ernsthaft Reformen anstrebt, aber es ist noch zu früh, um sagen zu können, ob es ihm gelingen wird."
Viktor Giacobbo kommentierte:"Zarganar ist endlich frei. Unzählige warten aber überall auf der Welt nocht immer unter unsäglichen Bedingungen auf ihre Freilassung, werden misshandelt und gefoltert. Für mich zeigt dieses Beispiel, wie wichtig es ist, sich für die Menschenrechte und für die Freilassung von Gewissensgefangenen zu engagieren. Ihre Hilfe wirkt!"
Quellen: Amnestie in Birma: Blogger Zarganar endlich frei / Mindestens 18 Medienschaffende noch im Gefängnis, Presseaussand Reporter ohne Grenzen, 13.10.2011; Burma frees dozens of political prisoners, Bangkok Post, 12.10.2011; Zarnagar ist frei!, Newsletter vom 12.10.2011, Amnesty International Schweiz; Amnesty fordert Freilassung weiterer Gefangener; Medienmitteilung Amnesty International Schweiz vom 12.10.2011