Mit dem vorliegenden Projekt für eine 2. Strassenröhre am Gotthard versuchten der Bundesrat und das Parlament, das Volk hinters Licht zu führen, sagte Caroline Beglinger, Co-Präsidentin des Vereins "Nein zur 2. Gotthardröhre" und Co-Geschäftsleiterin des VCS Verkehrs-Club der Schweiz, vor den Medien. Die geplante Gesetzesvorschrift, nie mehr als zwei Spuren zu öffnen, sei nichts anderes als ein Kniff, um den Alpenschutzartikel in der Verfassung zu umgehen. Ein Gesetz könne jederzeit auch wieder geändert werden, sagte Beglinger weiter. "Und machen wir uns nichts vor: Sobald die 2. Röhre steht, wird der Ruf laut, alle vier Spuren zu nutzen."
Jon Pult, Co-Präsident des Vereins "Nein zur 2. Gotthardröhre" und Präsident der Alpen-Initiative, rief die Fragilität des Alpenraums in Erinnerung. Der Verkehr belaste die Menschen und die Umwelt in den Bergtälern übermässig. Das gleiche Fahrzeug verursache in einem Alpental gegenüber dem Mittelland die dreifache Schadstoffkonzentration, bei ungünstigen Wetterlagen eine noch viel höhere.

Tessin besonders stark belastet

Besonders vom Verkehr am Gotthard belastet sei das Tessin, betonte Nationalrätin Marina Carobbio (SP/TI), Vizepräsidentin der Alpen-Initiative. Eine zweite Strassenröhre werde über kurz oder lang noch mehr Verkehr anziehen, insbesondere Schwerverkehr. Die Menschen entlang der Nord-Süd-Achse würden so gesundheitlich noch stärker leiden. Zudem werde das Tessin beim Bau einer 2. Röhre 140 Tage lang von der übrigen Schweiz abgeschnitten sein, weil der alte Tunnel notsaniert werden müsste, ehe mit dem Bau des neuen Tunnels begonnen werden könnte.
Auch die Romandie werde unter dem Bau einer 2. Röhre leiden, sagte Nationalrätin Anne Mahrer (Grüne/GE), Zentralvorstandsmitglied des VCS. Um das Projekt zu finanzieren, werde man andere Projekte zurückstellen. Es sei absehbar, dass die Romandie hier einmal mehr benachteiligt werde. Der Gotthard werde in der Deutschschweiz oft mythologisiert. "Lassen wir lieber Fakten sprechen."

Konkurrenz zu Agglomerationsprojekten und zur NEAT

Eine 2. Röhre stehe aber auch in Konkurrenz zu zahlreichen Agglomerationsprojekten, welche noch keine gesicherte Finanzierung besässen, sagte Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen Schweiz und Vorstandsmitglied der Alpen-Initiative. Am Gotthard verkehrten täglich rund 17’000 Fahrzeuge – deutlich weniger als in den Agglomerationen. Wer am Gotthard einen fünften Tunnel baue, verloche das Geld daher am falschen Ort.
Nationalrat Philipp Hadorn (SP/SO), Zentralsekretär des SEV – Gewerkschaft des Verkehrspersonals, ortete zudem eine Konkurrenz zur NEAT, welche in den nächsten Jahren vollendet werde. Dieses Grossprojekt habe über 20 Milliarden Franken gekostet. Der Bundesrat, bürgerliche Parteien und die Autolobby gingen mit dem Bau einer zweiten Röhre bewusst das Risiko ein, die Wirkung der NEAT zu sabotieren. Die Wirtschaft werde so keinesfalls animiert, vermehrt Güter mit der Bahn zu transportieren. Längerfristig seien deshalb Arbeitsplätze bei der SBB, der BLS und anderen gefährdet.

Verlagerungspolitik gefährdet

Eine 2. Strassenröhre am Gotthard gefährde auch die Verlagerungspolitik und belaste die Beziehungen zur EU, sagte Nationalrätin Edith Graf-Litscher (SP/TG). Immer wieder ernte die Schweiz in Europa Lob für ihre Verlagerungspolitik: In keinem anderen Land würden so viele Güter auf der Schiene über die Alpen transportiert. "Mit dem Bau einer zweiten Strassenröhre am Gotthard wäre die ganze Glaubwürdigkeit, welche unser Land in Brüssel geniesst, jedoch mit einem Schlag dahin", sagte Graf-Litscher weiter. Dieses Signal gefährde in seiner Konsequenz die gesamte Güterverlagerungspolitik.
Der Schweiz drohe darüber hinaus aber auch rechtlicher Ärger mit der EU, führte Graf-Litscher weiter aus. Es sei problematisch, zwei Tunnel zu betreiben und nur zwei Spuren zu öffnen. Das Landverkehrsabkommen mit der EU basiere nämlich auf dem Ansatz des freien Strassenverkehrs. Demzufolge dürften keine Massnahmen ergriffen werden, um den Verkehr übermässig einzuschränken.

Schauen Sie das Video: Regula Rytz sagt "Nein" zur 2. Gotthardröhre.
Weitere Informationen:

  • Jon Pult, Co-Präsident Verein «Nein zur 2. Gotthardröhre» und Präsident Alpen-Initiative, Tel.: 076 508 16 33
  • Caroline Beglinger, Co-Präsidentin Verein «Nein zur 2. Gotthardröhre» und Co-Geschäftsleiterin VCS, Tel.: 079 310 11 86
  • Marina Carobbio, Nationalrätin SP/TI und Vizepräsidentin Alpen-Initiative, Tel.: 079 214 61 78
  • Regula Rytz, Nationalrätin (Grüne/BE) und Vorstandsmitglied der Alpen-Initiative, Tel.: 079 353 86 38
  • Edith Graf-Litscher, Nationalrätin (SP/TG), Tel.: 079 347 08 93
  • Philipp Hadorn, Nationalrat (SP/SO) und Zentralsekretär SEV – Gewerkschaft des Verkehrspersonals, Tel.: 079 600 96 70
  • Anne Mahrer, Nationalrätin (Grüne/GE) und Zentralvorstandsmitglied VCS, Tel.: 079 249 72 17
  • Evi Allemann, Nationalrätin (SP/BE) und Zentralpräsidentin VCS, Tel.: 079 560 72 94

Folgende Organisationen gehören dem Verein "Nein zur 2. Gotthardröhre" an:

Nationale Organisationen:
VCS Verkehrs-Club der Schweiz, Alpen-Initiative, Coalizione per uncollegamento sud-nord, Grüne Partei der Schweiz, Pro Bahn Schweiz, SEV Gewerkschaft des Verkehrspersonals, SP Schweiz, Aqua Viva, Ärztinnen und Ärzte für den Umweltschutz (AefU), CSP-PCS Schweiz, Evangelische Volkspartei Schweiz, Fussverkehr Schweiz, Greenpeace Schweiz, Grünliberale Partei Schweiz, IGöV Schweiz, Junge Grüne Schweiz, JUSO Schweiz, Mountain Wilderness Schweiz, oeku Kirche und Umwelt, Pro Natura, Pro Velo Schweiz, SES Schweizerische Energiestiftung, umverkehR und WWF Schweiz.
Regionale Organisationen:
ACSI – Associazione consumatrici e consumatori della Svizzera italiana, Alpeninitiatives Uri, ALRA – Associazione Liberale Radicale per l’Ambiente, Associazione AMICA per il miglioramento ambientale di Castione, ASTUTI Sezione Ticino di Pro Rail Svizzera, ATA Svizzera italiana, Capriasca ambiente, CITRAP Vaud, Cittadini per il Territorio, Comitato contro la superstrada Stabio est-Gaggiolo, Ficedula – Società per lostudio e la conservazione degli Uccelli della Svizzera italiana, I Giovani Verdi del Ticino, I Verdi del Ticino, Leventina Vivibile, Moesano vivibile, OGUV Oberwalliser Gruppe Umwelt und Verkehr, Partito Socialista PS Ticino, POP vaudois et Gauche en mouvement, Pro Bahn – ASTUTI – Associazione ticinese utenti trasporto pubblico, Sindacato SEV, SOS Ambiente, Urner Komitee Nein zur zweiten Röhre am Gotthard, Vereinigung Bündner Umweltorganisationen, Viva Gandria und WWF Svizzera italiana.