Myanmar – Lass uns die Reise beginnen
Das politische Tauwetter in Birma – oder Myanmar – hat 2011 begonnen. Trotzdem wird immer noch viel staatlich gelenkt. Ist das eine Chance für nachhaltigen Tourismus?
Aus meiner Sicht ist die zentrale Steuerung eine grosse Chance, da Regierung und Privatsektor eng zusammenarbeiten müssen. Entscheidungsprozesse können somit aber auch beschleunigt werden. Gerade im Tourismus gibt es aber auch einen sehr starken privaten Sektor. Dieser ist im Verlauf der letzten 20 Jahre kontinuierlich gewachsen. Es gibt einen stark aufgestellten privaten Tourismusverband, der richtungsweisend ist – aber eng mit dem Tourismusministerium zusammenarbeitet. Zum Beispiel wird das Marketing für Myanmar über diesen Tourismusverband erarbeitet – und nicht alleine von Regierungsseite wie in vielen anderen Ländern.
Ein wesentlicher Aspekt von nachhaltigem Tourismus ist die Mitbestimmung der Bevölkerung, inwieweit TouristInnen in ihre Region kommen sollen. Wie ist das in einem immer noch autoritären Staat wie Myanmar? Ist Mitbestimmung für die Bevölkerung überhaupt möglich?
Myanmar hat im Mai diesen Jahres eine Policy zur Beteiligung der lokalen Bevölkerung im Tourismus erarbeitet. Ich war als Moderatorin an diesem Prozess beteiligt. Es besteht ein grosser Wunsch und Interesse, die lokale Bevölkerung in den Tourismus stärker zu integrieren und touristische Gemeindeprojekte zu fördern. Übernachtungen von TouristInnen in Dörfern ("Homestays") sind zwar noch nicht erlaubt, aber seit diesem Jahr der Bau von kleinen Gästehäusern in den Dörfern, die vom Dorf selbst oder in Kooperation mit einem Geschäftspartner gemanagt werden. Bezüglich der Mitbestimmung wurde immer wieder geäussert, dass man den buddhistischen Weg, also den "mittleren Weg" hinsichtlich der Beteiligung der lokalen Bevölkerung gehen möchte. D.h. die lokale Bevölkerung soll stärker an Entscheidungsprozessen beteiligt sein, aber die Regierung soll zumindest in den kommenden Jahren noch die "endgültige" Entscheidung treffen.
Was erwarten die birmanischen Behörden vom Tourismus, vor allem in finanzieller Hinsicht?
Der Tourismus ist keine der Haupteinkommensquellen Myanmars; Myanmar verdient viel mehr mit natürlichen Ressourcen wie Gas und Edelsteinen. Allerdings erhoffen sich alle – Behörden, Privatsektor, Zivilgesellschaft – nach Jahren der Isolierung einen Zuwachs der Touristenzahlen – natürlich aus finanziellen Gründen, aber weil schlichtweg auch ein großes Bedürfnis besteht, die Kultur und Geschichte von Myanmar AusländerInnen zu erklären.
Vor der politischen Öffnung 2011 haben NGOs, aber auch die berühmte birmanische Politikerin Aung San Suu Kyi von Reisen nach Myanmar abgeraten. Wie ist das jetzt?
2011 gab es eine Erklärung der "National League of Democracy", der Partei von Aung San Suu Kyi, dass AusländerInnen das Land wieder bereisen sollen und dabei vor allem die lokale Bevölkerung unterstützt werden soll.
Was sind denn die grössten Herausforderungen in der touristischen Entwicklung Myanmars?
Momentan geht alles viel zu schnell. Es gibt grossen Druck von Tourismusinvestoren aus dem asiatischen Raum, wie Singapur, Thailand, Vietnam und China, die sehr schnell möglichst grosse Hotels bauen wollen. Viele BirmanInnen merken zwar, dass es jetzt schon viel zu schnell geht, aber es besteht die Gefahr, dass an vielen Orten genau die gleichen altbekannten Fehler in der touristischen Entwicklung gemacht werden wie andernorts. In den nächsten paar Jahren wird sich zeigen, ob die Behörden doch Kraft genug haben zu steuern, ob die Entwicklung in eine andere Richtung geht. Diese Hoffnung habe ich.
Was ist denn die grösste Herausforderung für Sie selbst im Umgang mit den staatlichen Stellen?
Die Zusammenarbeit mit den Behörden Myanmars hat sich erst in den letzten achtzehn Monaten entwickelt. Ich bin immer noch überrascht, wie innovativ und offen die meisten MitarbeiterInnen der Tourismusbehörde sind; schwierig ist allerdings noch, das Thema "nachhaltiger Tourismus" auf regionaler Ebene den staatlichen Mitarbeitern zu erläutern – die meisten haben meist nur wenige Fachkenntnisse und wenig Ahnung sowohl von Nachhaltigkeit als auch von Tourismusplanung. Derzeit bin ich aber wieder in Myanmar, um gemeinsam mit der Hanns-Seidel-Stiftung aus München Seminare zu den Themen "Nachhaltiger Tourismus" und "Integration von lokaler Bevölkerung in die Tourismusplanung" auf der Mikroebene durchzuführen.
Wo sehen Sie den birmanischen Tourismus in fünf Jahren?
Der schlechteste Fall zuerst: Dann haben wir in Myanmar mindestens fünf Stranddestinationen mit eng gesetzten Hochhäusern ohne Wasser- und Abfallmanagement; in dem Fall kippt die Attraktivität der Destination Myanmar in spätestens zehn bis 15 Jahren. Der allerbeste Fall: Wenn Myanmar jetzt für zwei Jahre seine Tore für den internationalen Tourismus wieder schliessen könnte, um Zeit für die Vorbereitung und touristische Steuerung zu haben. Das wird natürlich nicht eintreffen. Also muss man sehen, wie man zwischen diesen beiden Extremfällen arbeiten kann.
Was man nicht unterschätzen darf, ist der birmanische Inlandtourismus; also BirmanInnen, die nun im eigenen Land reisen. Früher gab es dazu kaum Möglichkeit, nun verreist vor allem die städtische Bevölkerung öfter drei bis vier Tage, vor allem zu wichtigen buddhistischen Tempeln. Diese Tempel werden sozusagen überrannt; sie haben kaum Besuchermanagement, also jetzt schon ein massives Problem mit Abfall und Wasserversorgung.
Genau diese Orte werden aber nicht nur von den Einheimischen oft besucht, sondern auch von den internationalen Gästen, vor allem aus China und Vietnam. Es ist spannend zu sehen, wie die Reisenden aus diesen kommunistischen Ländern ihre buddhistischen Wurzeln entdecken, aber die Menge an BesucherInnen ist zum Teil beängstigend. Myanmar benötigt hier dringend verstärkt eine Zusammenarbeit mit Universitäten und NGOs, die Recherchen zu all diesen Themen durchführen. Die Chance ist jetzt da, Fehler, die in anderen Ländern begangen worden sind, zu verhindern bzw. zumindest zu minimieren.