Basel, 26.04.2011, akte/ Das Kinderbuch ist ein Kleinod und in jeder Hinsicht unüblich: Eine Rarität ist nicht nur, dass Angehörige einer indigenen Ethnie für die Kinder des industrialisierten Westens – oder auch der industrialisierten Zentren Indiens – ein Kinderbuch gestalten. Unüblich ist auch das Konzept: Pro zwei Seiten steht ein Wort zu lesen wie "säen/ernten", "fischen", "streiten", "tanzen" oder "trinken". Rund um das Wort breitet sich ein Bildergeschichtenbogen aus, der zunächst wie ein einziges Ornament aussieht: Weisse Kreise, Dreiecke, Vierecke und Linien sind die geometrischen Grundelemente der Darstellungen. Wenn das Auge verweilt, erschliesst sich allmählich der Alltag der indigenen Warli. Eine Welt, die in ihrer ursprünglichen und unentfremdeten Art bezaubert, wo Tiere, Menschen und Pflanzen, Steine, Wasser und Erdkrümel noch eine harmonische Einheit zu bilden scheinen.

Im Kinderbuch lebt eine Welt fort, die den Warli allerdings mehr und mehr verloren geht. Einige hunderttausend Warli wohnen in den nordwestlichen Gebieten von Maharashtra, Gujarat und in den direkt der Bundesregierung unterstehenden "Union Territories" Daman und Diu, Dadra und Nagar Haveli. Das Wort Warli leitet sich ab aus Warla, was ein Stück Land oder ein Feld bezeichnet. Früher lebten die Warli als Jäger und Sammlerinnen in den Wäldern. Mit der zunehmenden Abholzung sind sie sesshaft geworden. Heute werden sie von der rasch sich ausbreitenden kapitalistischen Zivilisation bedroht: Vor einigen Jahren hat die Bundesregierung eine Autobahn von Mumbai (Maharashtra) durch die Wälder und Felder der Warli bis nach Ahmedabad (Gujarat) gebaut. Für den Verlust ihres Landes wurden die Warli nicht entschädigt. Seither rollen Tag und Nacht lange Kolonnen von Lastwagen über die Schnellstrasse. Die Kultur der Warlis wird zwar als folkloristische Sehenswürdigkeit gepriesen und touristisch vermarktet, das Recht auf selbstbestimmte Entwicklung der Warli wird aber so wenig ernst genommen wie das der anderen indigenen Ethnien Indiens.
Bis in die Siebzigerjahre waren es die Frauen, welche die Aussenmauern ihrer Häuser mit rotem Lehm und Kuhdung einfärbten und dann mit den vor Rhythmus pulsierenden weissen Figurenzeichnungen schmückten. In den späten Siebzigerjahren wurde Jivya Soma Mashe als Maler solcher Figuren in den urbanen Zentren Indiens bekannt. Beim vorliegenden Band haben die bereits mehrfach für ihre Arbeit ausgezeichneten Warli-Künstler Ramesh Hengadi und Shantaram Dhadpe mit ihren Frauen Rasika Hengadi und Kusum Dhadpe zusammengearbeitet.
Das Konzept und der Text stammen von Gita Wolf. Die Anglistin und vergleichende Literaturwissenschaftlerin gründete 1994 mit "Tara Publishing" in Chennai einen der wohl innovativsten indischen Verlage. Sie beschloss, Kinderbücher zu schreiben, weil sie die enge Verbindung von Wort und Bild fesselte und sie fand, das Angebot an guten Kinderbüchern sei zu mager. Inzwischen arbeitet sie mit einem ganzen Team von Künstlern zusammen, die neue Wege gehen wollen. Unter dem Titel "Do!" erschien das Bilderbuch der Warli 2009 bei "Tara Publishing".

Jetzt hat es Baobab Books, die Fachstelle zur Förderung kultureller Vielfalt in der Kinder- und Jugendliteratur, auf Deutsch herausgegeben. "Das machen wir" wurde im Siebdruckverfahren in einer Werkstatt in Indien sorgfältig von Hand hergestellt – unter fairen Arbeitsbedingungen. Die weisse Farbe, auf Recycling-Papier gedruckt, erweckt die Lehmwände der Häuser der Warli zum Leben. "Das machen wir" wird vermutlich nicht allen gefallen. Enttäuscht wird sein, wer ohne schrille Figuren und plakative Farben nicht auskommt. Umso mehr werden es aber alle Grossen und Kleinen geniessen, die noch schauen, staunen, ihrer Fantasie Raum geben und sich zu einer wunderschönen Reise zu einer fernen Ecke Indiens mitnehmen lassen mögen.
Ramesh Hengadi, Shantaram Dhadpe, Gita Wolf: Das machen wir. Baobab Books, Basel 2011; 40 Seiten, Siebdruck Handarbeit, Umschlag aus handgeschöpftem Papier, CHF 35.00, Euro 26.00 (unverbindliche Preisangabe), ISBN 978-3-905804-18-8