Vera Thaler: Was genau ist das Schweizer KlimaTicket und wie funktioniert es? 

KlimaTicket: Das KlimaTicket ist ein freiwilliger Beitrag für den Klimaschutz: Pro geflogenen Kilometer bezahlt man einen Rappen. Der gespendete Betrag fliesst in den Bau einer Solaranlage in der Schweiz. Der daraus erzeugte Stromerlös kommt gemeinnützigen Solarprojekten im globalen Süden zugute. So verbinden wir Klimaschutz vor Ort mit einer langfristigen Wirkung weltweit.

VT: Und wer steckt eigentlich hinter dem KlimaTicket?

KT: Hinter dem KlimaTicket steckt die Non-Profit-Organisation Solafrica. Wir fördern die Nutzung der Solarenergie in wirtschaftlich benachteiligten Regionen des globalen Südens und in der Schweiz, um Entwicklungschancen für benachteiligte Menschen zu schaffen und das Klima zu schützen. In zahlreichen Projekten bildet Solafrica Solarfachkräfte aus, ermöglicht gemeinnützige Solaranlagen, sensibilisiert für die Chancen von Solarenergie, fördert gezielt innovative Technologien und setzt sich für die Verbesserung von politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ein.

VT: Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

KT: Weil wir unseren Sitz in der Schweiz haben, wollten wir auch hier den Klimaschutz ganz konkret stärken. Fliegen ist klimaschädlich und trotzdem gibt es hierzulande keine CO₂-Abgabe auf Flugtickets. Wir wollten eine einfache, ehrliche Lösung: ein Rappen pro geflogenen Kilometer. Keine komplizierten Emissionsrechner, keine Illusion, dass sich Emissionen «wegkompensieren» lassen. Stattdessen finanzieren wir direkt den Ausbau erneuerbarer Energie – mit klarer, überprüfbarer Wirkung.

Die beste Option fürs Klima ist immer, auf den Flug zu verzichten.
KlimaTicket

VT: Wie reagieren Menschen auf das KlimaTicket?

KT: Sehr positiv. Viele Reisende suchen nach einem einfachen Weg, Verantwortung zu übernehmen, wenn eine Flugreise unvermeidbar ist – sei es aus Zeitgründen, wegen fehlender Alternativen oder weil andere Optionen zu teuer sind. Viele schätzen gerade die Ehrlichkeit hinter dem Konzept. Wir sagen offen: Die beste Option fürs Klima ist immer, auf den Flug zu verzichten. Aber wenn geflogen wird, kann man mit dem KlimaTicket einen realen Beitrag leisten, statt sich auf fragwürdige Kompensationsversprechen zu verlassen.

VT: Wie unterscheidet sich das KlimaTicket von herkömmlicher CO₂-Kompensation?

KT: Wir verzichten bewusst auf eine «exakte» CO₂-Berechnung und den Begriff «1:1-Ausgleich». Denn zu oft erwecken solche Modelle den Eindruck, dass man verursachte Emissionen einfach anderswo einsparen kann. Studien zeigen, dass viele Kompensationsprojekte ihr Versprechen nicht einlösen, etwa weil die Einsparungen ohnehin passiert wären oder nicht dauerhaft gesichert sind. Wir setzen stattdessen auf ein einfaches, transparentes System: Jede Zahlung finanziert einen kleinen Teil einer neuen Solaranlage in der Schweiz – und mit dem Erlös daraus zusätzlich die Finanzierung von nachhaltigen Solarprojekten im globalen Süden.

VT: Kannst du mir mehr über diese Zusammenarbeit und die Art der Solarprojekte erzählen?

KT: Mit den Einnahmen aus KlimaTickets und Solarvignetten baut Solafrica neue Solaranlagen in der Schweiz. Das hat eine doppelte Wirkung: Wir sorgen für mehr klimafreundlichen Strom in der Schweiz und der Stromerlös fliesst zurück in unsere gemeinnützigen Solarprojekte im globalen Süden. Unsere Projekte verfolgen das Ziel, allen Menschen den Zugang zu erneuerbarer Energie zu ermöglichen, insbesondere über Berufsbildungsprojekte.

Wir sehen es als freiwillige Spende für den Klimaschutz – nicht als Freifahrtschein.
KlimaTicket

VT: Manche Menschen sprechen von «Ablasshandel». Begegnet auch ihr solchen Vorwürfen?

KT: Ja, und wir nehmen diese Kritik ernst. Der Vorwurf meint, dass man sich mit Geld von einer klimaschädlichen Handlung «freikaufen» kann. Bei vielen klassischen Kompensationsmodellen besteht tatsächlich die Gefahr, dass sie als Ausrede dienen, um am eigenen Verhalten nichts zu ändern. Deshalb kommunizieren wir klar: Das KlimaTicket ist keine Kompensation, sondern ein Beitrag. Es macht die ausgestossenen Emissionen nicht rückgängig und wir versprechen keine Klimaneutralität. Wir sehen es als freiwillige Spende für den Klimaschutz – nicht als Freifahrtschein.

VT: Wie haltet Ihr es mit dem Begriff«Klimakompensation»?

KT: Wir verwenden den Begriff bewusst nicht. Zu oft wird er mit fragwürdigen Versprechen verbunden. Viele Verbraucher*innen verstehen «Kompensation» so, dass ausgestossenes CO₂ rückgängig gemacht wird – was in der Praxis meist nicht funktioniert. Wir sprechen lieber von einem freiwilligen Klimabeitrag, der echte Wirkung entfaltet, ohne falsche Sicherheit zu suggerieren.

VT: Eine kleine Einschränkung in unserer Begeisterung fürs KlimaTicket gibt es: Eure Projekte entziehen der Atmosphäre kein CO₂ – so wie es zum Beispiel Aufforstungsprojekte tun. Stattdessen verhindert ihr, dass in Zukunft CO₂ entsteht. In der idealen Klimaschutz-Strategie versucht man aber zuerst, Emissionen zu vermeiden, und kompensiert den Rest, indem man CO₂ wieder aus der Atmosphäre entfernt. Wie geht das KlimaTicket mit diesem Thema um?

KT: Vermeidung steht bei uns an erster Stelle: Mit den gebauten Solaranlagen in der Schweiz leisten wir einen konkreten Beitrag zu den Klimazielen der Schweiz. Und unsere Solarprojekte im globalen Süden verhindern zukünftige CO₂-Emissionen, indem sie dem Ausbau fossiler Energien von Anfang an durch den Einsatz von Solarenergie ersetzen. Im globalen Norden haben wir unsere Energiesysteme jahrzehntelang auf Öl, Gas und Kohle aufgebaut – mit katastrophalen Folgen für das Klima. Die Auswirkungen dieser Entscheidung spüren wir heute weltweit. Die Energiewende in der Schweiz zeigt: Den fossilen Pfad zu verlassen, ist aufwendig, teuer und gesellschaftlich umstritten. Ganze Systeme müssen rückgebaut, neu gedacht und wieder aufgebaut werden.

Deshalb ist es so wichtig, dass Länder, in denen heute neue Energiesysteme entstehen, direkt auf erneuerbare Energien setzen. Genau da setzen die Projekte von Solafrica an: Sie ermöglichen den Ausbau von Solarenergie dort, wo sie am meisten Wirkung entfalten kann – bevor neue Emissionen entstehen.

Für unvermeidbare Emissionen kann Kompensation eine Rolle spielen. Aber nur ehrlich und ohne Greenwashing.
KlimaTicket

VT: Wie seht ihr die Zukunft der Klimakompensation im Mobilitätssektor?

KT: Emissionen müssen dort vermieden werden, wo es möglich ist: durch effizientere Technologien, klimafreundlichere Verkehrsmittel oder ein verändertes Mobilitätsverhalten.
Für unvermeidbare Emissionen kann Kompensation eine Rolle spielen. Aber nur ehrlich und ohne Greenwashing. Natürlich wäre es schön, wenn es das KlimaTicket irgendwann nicht mehr bräuchte. Bis dahin bieten wir eine Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen.

VT: Was wünscht ihr euch von den Konsument*innen? 

KT: Wir wünschen uns, dass Konsument*innen bewusste Entscheidungen treffen im Wissen darum, dass jede Reise eine Auswirkung hat. Wir sehen, dass viele Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, wenn die Angebote transparent und wirksam sind.

VT: Gibt es Rückmeldungen zur Akzeptanz und Nutzung des KlimaTickets?

KT: Viele Menschen schätzen es, dass wir keine leeren Versprechungen machen. Die Wirkung ist nachvollziehbar: dem Bau von Solaranlagen in der Schweiz. Aus einem Beitrag entsteht eine Solaranlage, aus dieser klimafreundlicher Strom, und die Erlöse fliessen in Solarprojekte im globalen Süden.

VT: Inwiefern wird das Schweizer KlimaTicket mit zukünftigen Emissionsreduktionsstrategien verknüpft?

KT: Durch das KlimaTicket finanzieren wir den Bau neuer Solaranlagen – ein zentrales Element der Schweizer Klimastrategie. Der Stromertrag fliesst in Projekte, die Emissionsvermeidung mit Bildung, Armutsbekämpfung und gerechtem Zugang zu Energie verbinden.
Das KlimaTicket ist also eingebettet in eine langfristige Vision: eine klimafreundliche Energieversorgung in der Schweiz und eine globale Energiewende, die niemanden zurücklässt.

VT: Vielen Dank für das Gespräch – und willkommen in der fairunterwegs Community!

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