Seit Oktober 2000 setzt sich eine wachsende Koalition von indigenen Gemeinschaften, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen – darunter akte – dafür ein, dass das von den Vereinten Nationen proklamierte „Internationale Jahr des Ökotourismus 2002“ grundsätzlich neu ausgerichtet wird (vgl. akte-Kuna 1/2001). Statt ein „Promotionsjahr“ für eine bisher nur vage definierte Tourismusform durchzuführen, solle das Jahr dazu benutzt werden, sorgfältig zu untersuchen, welche positiven und negativen Folgen der sogenannte „Ökotourismus“ für die Umwelt und den Lebensalltag der betroffenen Menschen bis heute tatsächlich gehabt habe. In einem Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan sowie an die verantwortlichen Organisatoren bei der Welttourismusorganisation (WTO) und beim UN-Umweltprogramm (UNEP) forderte die Koalition Mitte Januar 2001, den Anlass in ein „Internationales Jahr zur Überprüfung des Ökotourismus“ umzutaufen und eine unabhängige Überprüfungskommission für „Ökotouris-mus“ einzurichten. Eine offizielle Antwort auf den Vorschlag steht noch aus.
Die Vorbereitungsarbeiten für das Hauptereignis des Jahres – den weltweiten „Ökotourismusgipfel“ in Quebec (Kanada) im Mai 2002 – gehen ungebremst weiter. Die NGO-Koalition kri-tisiert, dass die UNEP und die WTO den „Multi-Stakeholder-Dialogue“ – die Partizipation aller betroffenen Parteien – , zu dem sich die Vereinten Nationen im Rahmen des Rio-Folgeprozesses verpflichtet haben, nicht ernst nähmen. Für das Mitte Februar 2001 in Madrid anbe-raumte Vorbereitungstreffen hatten die Organisatoren des „Ökotourismusgipfels“ lediglich eine NGO-Vertreterin aus dem Süden eingeladen, die aber aus finanziellen Gründen absagen musste, weil sie Reise und Unterkunft selber hätte bezahlen müssen. Angesichts der Kritik sagte die WTO das Treffen kurzfristig ab, um es darauf noch kurzfristiger – in einem kleinen Kreis von vornehmlich Tourismusmarketing-Behörden und Umweltschutzorganisationen – doch noch durchzuführen. WTO und UNEP betonten in Madrid, dass sie von den Vereinten Nationen keinerlei Richtlinien oder Finanzbudget für die Organisation des „Ökotourismusjahres“ erhalten hätten. Die Anwesenden kamen überein, dass ein breiter Partizipations- und Konsultationsprozess vor und während des „Ökotourismusgipfels“ anzustreben sei und dass Wege gesucht werden müssten, um die Teilnahme von Regierungen, NGOs und kleinen Unternehmen aus Entwicklungsländern an den internationalen Treffen zu finanzieren. Daraus resultiert eine neue Arbeitsteilung: Die UNEP will sich künftig auf den Partizipationsprozess und die Zusammenarbeit mit NGOs konzentrieren, während sich die WTO in erster Linie um das Programm und die Organisation des Weltgipfels und der regionalen Vorbereitungstreffen kümmern wird. Bei den Vorbereitungen werden sich UNEP und WTO an den Ökotourismusdefinitionen des Internationalen Ökotourismusverbandes (TIES) und des WWF orientieren, solange keine andere Definition im Rahmen der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) oder im geplanten „Multi-Stakeholder-Dialogue“ entwickelt worden sei. Dies hat die amerikanische Indigenen-Organisation „Rethinking Tourism Project“ (RTP) zu Kritik veran-lasst. Es sei unverständlich, weshalb vage und von indigenen Völkern mehrfach abgelehnte Definitionen weiterhin diskutiert würden, während die im Mai 2000 anlässlich der achten Session der Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD8) von mehreren NGOs, Indigenen Völkern und Gewerkschaften entwickelte Ökotourismusdefinition von der UNEP und WTO weiterhin ignoriert werde.
Um die Vorbereitungsarbeiten kritisch zu begleiten, hat die NGO-Kampagne neu einen Informationsdienst namens „Clearinghouse for Reviewing Ecotourism“ eingerichtet, der in Hintergrundartikeln die Rolle der grossen Tourismusakteure sowie die Auswirkungen des „Ökotourismus“ vor Ort unter die Lupe nehmen will. Letzteres wird ein zentrales Thema an der Internationalen Tourismuskonferenz der Indigenen Völker vom 8. bis 10. Februar 2002 in Mexiko sein. Das offizielle Vorbereitungstreffen in Europa findet vom 12. bis 15. September 2001 in Österreich statt und ist vornehmlich dem „Ökotourismus“ in Berggebieten gewidmet. Die Er-gebnisse dieser Konferenz sollen in den Weltgipfel einfliessen, wo nach den Vorstellungen der WTO und UNEP Richtlinien zum „Ökotourismus“ herausgegeben werden könnten. Diese hät-ten zwar nur den Status von Empfehlungen, könnten aber – so WTO und UNEP – in die Eva-luationskonferenz des Rio-Folgeprozesses (Rio+10) in Südafrika einfliessen, wo rechtsverbindliche Resolutionen gefasst werden. In der Schweiz plant das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) eine Ökotou-rismustagung vom 10. bis 12. Juni 2002 im Anschluss an den Weltgipfel. Bereits diesen Herbst – vom 30. September bis 4. Oktober – organisiert die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) mit dem Geografischen Institut der Universität Bern eine Konferenz im Hinblick auf das Internationale Jahr der Berge, das ebenfalls 2002 stattfinden soll. /frei

Quellen: Stellungnahme RTP vom 26.3.2001 (http://groups.yahoo.com/group/iye2002); Protokoll des Vorbereitungstreffens für den Ökotourismus-Weltgipfel in Madrid vom 12.2.2001; Brief an Kofi Annan vom 18. und 26.1.2001; Informationen der NGO-Kampagne; eigene Recherchen.

Informationen zur NGO-Kampagne unter: www.twnside.org.sg/tour.htm